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© ARCHIV TOURISMUSVERBAND TUX-FINKENBERG

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„Saisonarbeitskräfte werden

immer rarer. Und guteMitar-

beiter wollen das ganze Jahr

über beschäftigt sein.“

Klaus Exenberger, Geschäftsführer Bergbahnen

Ellmau-Going

© GMEDIA

Vorausdenken

Vorausdenken

Gesundheit

hat immer Saison

Auf der Suche nach übersaisonalen Angeboten entdecken Betriebe und Regionen

zunehmend das Thema Gesundheit für sich.

W

ellness im Tourismus ist mittlerweile nicht nur eine

Milliardenindustrie, sondern nahezu ein Muss.

Kaum ein Vier- oder Fünf-Sterne-Betrieb kann es

sich noch leisten, kein Spa- undWellness-

angebot im Programm zu haben. Doch

damit hat das Thema auch sein Potenzi-

al als Alleinstellungsmerkmal verloren.

Anstatt Wohlfühlangeboten mit oft rela-

tiv geringem medizinischen Fundament

wird deswegen Gesundheitstourismus

immer interessanter. Diese „Medical

Wellness“ wird am Lanserhof seit mitt-

lerweile mehr als 30 Jahren entwickelt.

„Der Bereich ist und bleibt eine eher klei-

ne Nische“, meint Geschäftsführer Dr.

Christian Harisch. „Aber er ist durch-

aus attraktiv – nicht zuletzt, weil er Sai-

son-Unabhängigkeit bietet. Und es gibt

Wachstumspotenzial.“

Die Chance, die das Segment birgt,

entdecken mittlerweile nicht nur ein-

zelne Betriebe für sich. Auch für ganze

Regionen ist die Thematik grundsätz-

lich interessant, wie Gernot Riedel, Ge-

schäftsführer

des

Tourismusverban-

des Kitzbüheler Alpen – St. Johann i.

T. meint: „Wir verfügen über eine hohe

Dichte an Ärzten und Heiltherapeuten

und hervorragende klinische Einrichtungen. Das macht St. Jo-

hann zu einem starken Gesundheitsstandort.“ Die Herausfor-

derung liege allerdings darin, daraus ein touristisch relevantes

Angebot zu formen. Nur dann erhielte

die Hotellerie damit einen Anreiz, ihre

Betriebe ganzjährig zu öffnen.

Die Region Kitzbüheler Alpen – St.

Johann i. T. beteiligt sich unter ande-

rem am Interreg-Projekt WinHealth. In

dessen Rahmen werden gesundheits-

touristische Konzepte entwickelt, au-

ßerdem wird in Kooperation mit dem

Institut für Sport-, Alpinmedizin und

Gesundheitstourismus der UMIT auch

eine Studie angestrengt, die die ge-

sundheitsfördernden Effekte von Ski-

touren wissenschaftlich erforscht. Das

sei aber erst der Anfang. Denn Tirol

wäre prädestiniert, sich im Gesund-

heitstourismus zu etablieren, meint

Institutsdirektor Univ-Prof. Dr. Wolf-

gang Schobersberger: „Wir haben die

landschaftlichen Voraussetzungen und

die medizinische Infrastruktur. Dank

solcher Studien sind wir auch Vorreiter

im evidenzbasierten Gesundheitstou-

rismus. Und diesen Vorsprung sollten

wir auf jeden Fall ausbauen.“

Der Lanserhof ist seit 30 Jahren ein Vorreiter im Bereich Medical Wellness.

Sommer zu nutzen. „Uns war es wichtig, den

Betrieben einen Anreiz zu schaffen, sich als

Ganzjahresbetrieb zu versuchen“, berich-

tet TVB-Geschäftsführer Hermann Erler.

„Aufzusperren rechnet sich nur, wenn ge-

nügend Gäste da sind. Und die kommen nur,

wenn es auch etwas zu erleben gibt.“ Deswe-

gen forciert die Region seit gut zehn Jahren

Wander- und Familienangebote.

Dazu wurde zum einen Vorhandenes

wie Wanderrouten ausgebaut und es wurden

neue Einrichtungen wie die Playarena ge-

schaffen. Zum anderen sind es aber oft auch

kleine, weniger kostenintensive Maßnah-

men, dieWirkung zeigen. Egal obWanderna-

deln für Erwachsene oder ein Erlebnispfad

für Kinder, auf dem sie sich mit Stempel-

karten T-Shirts und Ferngläser erspielen

können. „Wir bieten nicht nur Infrastruktur,

sondern Erlebnisse“, sagt Erler, „und dazu

gehört es auch, Anreize zu schaffen und die

Gäste zu begleiten – mit großen Möglichkei-

ten, aber auch mit kleinen Gesten.“

DER RICHTIGE ZEITPUNKT

Einen weiteren positiven Aspekt des ganz-

jährigen Betriebs hat die Region Ellmau ins

Auge gefasst: „Wir sehen darin auch eine

Möglichkeit, mehr Kontinuität in die Betrie-

be zu bringen“, erklärt Klaus Exenberger, Ge-

schäftsführer der Bergbahnen Ellmau-Go-

ing. „Saisonarbeitskräfte werden immer

rarer. Und gute Mitarbeiter wollen das ganze

Jahr über beschäftigt sein.“ Mit diesem Ziel

vor Augen baut die Region seit 2005 ihr Som-

merangebot zusehends aus und kann klare

Erfolge verbuchen: Einige Leitbetriebe ha-

ben dort bereits ganzjährig geöffnet. Und in

den vergangenen zehn Jahren hat das Som-

mergeschäft um 200 Prozent zugelegt.

Außerdem sei gerade jetzt der Zeitpunkt

günstig, sich weiter zu steigern, ist Exenber-

ger überzeugt: „Im Urlaubs-Segment ver-

schiebt sich gerade einiges. Gelingt es uns

heute, Gäste zu begeistern, die etwas Neues

erleben wollen oder aus Sicherheitsbeden-

ken in die Alpen ausweichen, werden uns

diese auch in kommenden Jahren erhalten

bleiben.“ Dazu gelte es aber, dynamisch zu

bleiben und ein möglichst breites Zielpubli-

kum anzusprechen – sowohl imHinblick auf

die Interessen der Gäste als auch auf deren

Altersstruktur. „Wir müssen den Berg jedes

Jahr neu erfinden, um ihn immer wieder

spannend zu machen.“

VORAUSDENKEN

So zeigt sich, dass auch in Tirol Ganzjahres-

betriebe mehr als nur eine Chance haben.

Peter Zellmann sieht darin für viele Regi-

onen die Zukunft. Denn im Winter sei das

Wachstumspotenzial größtenteils ausge-

schöpft. So gebe es nur wenige „Winterkö-

nige“, die auch in Zukunft in den Wintermo-

naten ausreichend Gewinn erwirtschaften

könnten und die im Sommer so wenig zu

bieten hätten, dass sich der Aufwand nicht

lohne. „Das betrifft vielleicht ein Fünftel

der Regionen. Und auch die müssen sich der

Risiken bewusst sein, die eine solche tou-

ristische Monokultur mit sich bringt. Für

die restlichen 80 Prozent rechnet es sich

durchaus, vor allem auf lange Sicht, den

Tourismus auf beide Beine zu stellen.“

Text: Daniel Feichtner

Egal ob mit einem Panorama-Restaurant in Ellmau oder Erlebniswanderungen für Familien in der

Region Tux-Finkenberg: Um ganzjährig Gäste anzuziehen, gilt es, nicht auf ein einzelnes Zugpferd

zu setzen, sondern vielfältige Möglichkeiten und Erlebnisse anzubieten.

© LANSERHOF (2)

„Wir haben die landschaftli-

chen Voraussetzungen und die

medizinische Infrastruktur.

Dank spezifischer Studien

sindwir auch Vorreiter im

evidenzbasierten Gesund-

heitstourismus.“

Univ-Prof. Dr. Wolfgang Schobersberger,

Direktor Institut für Sport-, Alpinmedizin und

Gesundheitstourismus

© ISAG