Wirtschaftsinformation der Tiroler Raiffeisenbanken
Raiffeisen kompakt 02/2013
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Wichtige Säulemit besonderemRisiko
Sie gelten als Säulen unserer Wirtschaft: die Kleinstunternehmen in Tirol. Und es werden immer mehr. Das ist zunächst ein positives
Indiz für unternehmerisches Denken und Initiative. Aber viele Kleine tun sich schwer, in sichere Bahnen zu kommen.
Und: Alle stöhnen unter der Abgabenbelastung.
D
ie Zahl der Kleinstunterneh
men in Tirol steigt: Zählte man
im Jahr 2010 noch 18.523 Ein
personenunternehmen,
also
Betriebe ohne Angestellte, waren es im Vor
jahr schon 20.362. Eine kleine Gründerwel
le hatte für diesen Anstieg gesorgt.
Auffallend: Die 20.362 Einpersonenun
ternehmen machen schon mehr als 50 Pro
zent der insgesamt 39.686 gewerblichen
Betriebe in Tirol aus. „Mitte der 90er-Jah
re waren das noch deutlich unter 50 Pro
zent“, kommentiert Wirtschaftskammer
experte Stefan Garbislander. Das ist nicht
ausschließlich positiv: Viele Kleinstunter
nehmer schaffen den Sprung zum etwas
größeren Unternehmen (mit angestellten
Mitarbeitern) nicht. Eine zwiespältige Situ
ation, denn Einpersonenunternehmen tra
gen ein besonderes Risiko für den Fall, dass
der Firmeneigner aus gesundheitlichen oder
sonstigen Gründen einmal eine Zeit lang
ausfällt.
Garbislander ist sich bewusst, „dass
die Anstellung des ersten Mitarbeiters“
für jeden Kleinstunternehmer die größte
Herausforderung bedeutet, „weil er dann
eben für zwei laufen muss. Natürlich kann
man sagen, dass Kleinstunternehmer sich
selbst den Arbeitsplatz schaffen und da
mit auch den Arbeitsmarkt entlasten, aber
es kann nicht Ziel der Politik sein, dass es
immer mehr Kleinstunternehmen gibt“, so
Garbislander.
Flexibel und krisenresistent.
Kleinstunternehmen gelten zwar als beson
ders flexibel und damit krisenresistent, aber
man muss auch berücksichtigen, dass viele
Kleine von Aufträgen der Großbetriebe le
ben und damit eben auch von derem Wohl
undWehe abhängig sind.
Anstrebenswert wäre jedenfalls, die
Kleinstbetriebe einenSchrittweiter zubrin
gen. Was dafür notwendig ist, hat Garbislan
der mit Co-Autorin Marlene Hopfgartner in
der Studie „Tirols Klein- und Mittelunter
nehmen“ für die Wirtschaftskammer er
arbeitet: Nach dieser Studie leiden Tirols
Kleinunternehmer vor allem unter der ho
hen Abgabenbelastung (59% empfinden sie
als „sehr problematisch“) und zu hohen ad
ministrativen Belastungen (32%).
„Die viel zitierte Kreditklemme scheint
für die Tiroler KMU (klein- und mittelstän
dische Unternehmen) kein fundamentales
Problem zu sein“, schreiben Garbislander
und Hopfgartner: Für 60 Prozent der be
fragtenKMU sei dies auch in der derzeitigen
wirtschaftlichen Situation (die Umfrage
ergebnisse stammen aus dem Jahr 2010)
nicht problematisch.
Die wichtigsten Ziele für die Kleinunter
nehmer sind: dieGewinne zu steigern (52%),
Arbeitsplätze zu sichern (48%) und Innova
tionen voranzubringen (29%). Immerhin 23
Prozent sind vor allem damit beschäftigt,
überhaupt ihren Fortbestand zu sichern.
Garbislander und Hopfgartner empfeh
len der Politik dringend: Reduziert die be
hördlichen Auflagen und die Melde- und
Berichtspflichten für die KMU deutlich!
Schafft Bagatellabgaben wie Vergnügungs
steuern oder Kriegsopferabgabe ab, die nur
hohen Verwaltungsaufwand kosten und
wenig Einnahme für die öffentliche Hand
bringen! Stärkt regionale Wirtschafts
kreisläufe und prüft alle Gesetze sowie
Verordnungen vor Inkrafttreten auf ihre
KMU-Tauglichkeit!
Viele Arbeitsplätze.
Immerhin geht es auch um viele Arbeits
plätze: Von den 227.462 Beschäftigten in
der gewerblichen Wirtschaft Tirols arbei
tet die Hälfte in Betrieben mit über 50 Mit
arbeitern, aber 69.601 in Unternehmen mit
zehn bis 49 Mitarbeitern und 46.446 Be
schäftigte sind in Betrieben mit einem bis
neuen Mitarbeitern tätig. Dazu kommen
noch die 20.362 Einpersonenunternehmer
des Landes.
Und die KMU haben auch eine hohe ge
sellschaftliche Funktion: KMU-Eigentümer
sind im Allgemeinen besonders stark an ei
ner langfristigen Entwicklung ihrer lokalen
Wirtschaft interessiert und nicht an kurz
fristigen Gewinnsteigerungen. Sie sind auch
stärker in die lokale Gesellschaft eingebun
den. Sie „bilden das Rückgrat der Unterneh
menslandschaft und haben damit wesent
lichen Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur.
Dies gilt für die gesamte Europäische Union
und imBesonderen fürÖsterreich, wo der un
ternehmerische Mittelstand besonders aus
geprägt ist“, lobt dieWirtschaftskammer.
„Es geht darum, Unternehmer
erfolgreicher zumachen“
Mag. Stephan Schwaiger, Obmann der Geschäftsleitervereinigung
der Tiroler Raiffeisenbanken und Geschäftsführer der
Raiffeisenbank Erl, im Interview
H
err Schwaiger, was gehört
zu den größten Herausforde
rungen für Tirols EPUs?
Stephan Schwaiger: Das ist
ganz oft der effiziente Umgang mit der Res
source Zeit. Aus vielen persönlichen Ge
sprächen weiß ich, dass für administrative
Tätigkeiten nur abends nach Ende des lan
gen Arbeitstages Zeit ist. Das fordert neben
demwirtschaftlichen Umfeld sehr.
Welche Anforderungen stellen Kleinst
unternehmer an ihre Bank?
Flexibilität,
kurze
Reaktionszeit
und
Kundenorientierung.
Wie unterstützt Raiffeisen die
Unternehmer?
Mit helfenden Händen als kompetenter
Partner. Es geht darum, Unternehmer er
folgreicher zu machen, das ist unsere Kern
aufgabe. Sei es beim Thema Förderungen
oder Finanzierungen – wir haben bei Raiff
eisen ein einzigartiges Netzwerk, mit dem
wir viel bewirken können.
Welche Vorsorgemaßnahmen sind
empfehlenswert?
Versichern und Absichern. Das hat für Ein
zelunternehmer höchsten Stellenwert und
sollte nicht auf die leichte Schulter genom
men werden. Wird dieses Thema vernach
lässigt, kann das fatale Folgen haben.
Gibt es aktuell Produkte, die besonders für
Kleinstunternehmer interessant sind?
Ja, jede Menge, maßgeschneidert für die
individuelle Situation und persönliche Be
dürfnisse. Das Vorsorge-Thema ist mir be
sonders wichtig, da kann man nicht früh ge
nug handeln und anfangen.
Vielen Dank für das Gespräch.
„Sei esbeimThema
Förderungenoder
Finanzierungen–wirha
benbeiRaiffeiseneineinzig
artigesNetzwerk,mitdem
wirviel bewirkenkönnen.“
Mag. Stephan Schwaiger
Einpersonenunternehmen tragen ein
besonderes Risiko für den Fall, dass der
Firmeneigner einmal eine Zeit lang ausfällt.
„Dieviel zitierte
Kreditklemmescheint für
dieTirolerklein-undmittel
ständischenUnternehmen
keinfundamentales
Problemzusein.“
Stefan Garbislander, Autor der Studie
„Tirols Klein- undMittelunternehmen“