lerdings laut Gilbert Habringer gerade zu
Beginn nicht, die ÖAMTC-Flugrettung im
Gedächtnis der Österreicher zu verankern:
„Werbung haben wir ja keine gemacht, aber
mit der Zeit haben sich unsere Einsätze he-
rumgesprochen. DieMenschen haben gese-
hen, was wir zu leisten imstande sind.“
Heute zählt der Christophorus Flugret-
tungsverein 16 permanente Standorte in
ganz Österreich, imWinter kommen zusätz-
lich bei den Ballungszentren sechs Stütz-
punkte hinzu. In Tirol wurden neben jenem
in Innsbruck Dauerstützpunkte in Zams,
in Reith bei Kitzbühel sowie in Lienz einge-
richtet. Allein imJahr 2011 flogen die Chris-
tophorus-Teams österreichweit über 16.000
Einsätze, viele davon retteten Leben.
Routine an Bord
Der Arbeitstag hat für Habringer und sei-
ne Crew wie immer sehr früh begonnen. In
Einsatzbereitschaft ist ein Christophorus
immer, solange der gesetzlich definierte
Tag dauert – also von der Morgen- bis zur
Abenddämmerung. In der Nacht wird nicht
geflogen. Abzulesen sind die Einsatzzeiten
für das Team aus einer eigens errechneten
Tabelle – an diesem Tag muss die Crew von
6.13 bis 20.19Uhr gestellt sein. Mit Vor- und
Nachbereitung dauert der Arbeitstag über
15 Stunden. „Länger dürfte er auch nicht
mehr sein, vomGesetz hermuss ich als Pilot
zumindest acht Stunden Schlaf zwischen
zwei Diensten finden. Ein Pilot arbeitet
nämlich immer sieben Tage am Stück und
hat dann sieben Tage frei“, erklärt der „alte
Hase“ der österreichischen Flugrettung.
Routiniers sind auch seine beiden heu-
tigen Partner. Flugretter AndreasMair und
Notarzt Hubert Haberfellner verfügen über
viele Jahre Erfahrung. Zwei- bis dreimal
proMonat sind die beidenmit demChristo-
phorus unterwegs – und das alles auf frei-
williger Basis. Denn bezahlt werden nur die
Piloten, die allesamt fix beim ÖAMTC an-
gestellt sind. Mair arbeitet hauptberuflich
in der Verwaltung der Innsbrucker Klinik,
hat die spezielle Zusatzausbildung zum
Flugretter absolviert und ist Notfallsani-
täter sowie auch Bergführer – Letzteres
erweist sich für ihn nur allzu oft als nütz-
lich, denn nicht gerade selten zieht es eine
Christophorus-Crew in unwegsames Ge-
lände, vor allem in den Tiroler Bergen. Ha-
berfellner wiederum – als Arzt mit Berg-
führerausbildung geradezu prädestiniert
für den Job an Bord eines Christophorus –
ist als Anästhesist auf der Uniklinik tätig,
wie viele andere der Notärzte, die sich für
Hubschraubereinsätze bereit erklären. Die
Flugretter kommen hingegen aus den ver-
schiedensten Berufsgruppen, vom Lehrer
bis hin zum Polizisten. Sie alle verbindet
der Wunsch, zu helfen und Menschenleben
zu retten – auch ohne Entgelt.
Der Vormittag geht schlagartig vorüber,
doch die Integrierte Landesleitstelle, über
die alle eingehenden Notrufe koordiniert
werden, meldet sich nach wie vor nicht. Gil-
bert Habringers Vorahnung scheint richtig
zu sein, viele Einsätze werden es an diesem
teilweise sehr verregneten Frühlingstag
nicht werden. Die Crew des Christophorus
1 vertreibt sich die Zeit im Stützpunkt mit
Lesen, Kaffeetrinken und Plaudern. Der
frühe Nachmittag geht ereignislos vorüber.
„Wenn doch plötzlich das Piepen eines Pa-
gers ertönt und sich ein Einsatz ankündigt,
geht alles Schlag auf Schlag. Der Adrenalin-
spiegel steigt, man ist unglaublich fokus-
siert, alle Abläufe sind exakt geplant. Etwa
drei Minuten nach Einlangung der Mel-
dung ist einHelikopter imNormalfall in der
Luft“, erörtert Habringer.Während des Flu-
ges ist der Pilot ständig mit der Leitstelle in
Kontakt – durch genaue Angaben kann sich
die Crew auf das vermutlich auf sie warten-
de Szenario einstellen und schon vorab ein
passendes Zielkrankenhaus auswählen.
Erfahrung zählt
Immer wieder müssen die Christophorus-
Teams an ihre körperlichen Grenzen ge-
hen, um Verunfallte zu bergen. Die Anfor-
derungen an die gesamte Crewsind hoch, in
der Rettungsfliegerei bedarf es viel Erfah-
rung. Gerade die Piloten müssen ein beson-
deres Profil erfüllen, um überhaupt einen
Christophorus steuern zu dürfen. „Man
muss eine Flugerfahrung von mindestens
2.000 Stunden aufweisen, 500 davon im
Hochgebirge. Dafür braucht man sicher an
die zehn Jahre. Es sind also wirklich nur
äußerst erfahrene Piloten für die ÖAMTC-
Flugrettung im Einsatz. Wind und Wetter
machen es einem ja nicht immer einfach“,
so der Flugkapitän, der wie sämtliche sei-
ner Pilotenkollegen alle sechs Monate in
den Flugsimulator muss und ein spezielles
Training absolviert.
Diese Erfahrung kommt den Piloten
vor allem bei extremeren Einsätzen zugu-
te. „Vieles läuft reibungslos ab, wir fliegen
doch relativ viele Routineeinsätze. Aber
hin und wieder wird es auch dramatisch.
Wenn du etwa den Hubschrauber fast 15
Minuten lang ruhig über einer Gletscher-
spalte halten musst, damit sich deine
Crewmitglieder abseilen und einen Abge-
stürzten dort herausholen können, ist das
nichts Alltägliches mehr.“
Diesmal bleibt es jedoch tatsächlich
bis zum Abend beschaulich, die Crew geht
schließlich ohne Einsatz nach Hause. Gil-
bert Habringer bereitet sich in Gedanken
schon auf den nächsten Tag im C1-Stütz-
punkt vor, für Hubert Haberfellner und An-
dreas Mair geht es nach kurzer Erholungs-
pause wieder zurück in die Normalität des
Berufslebens – auf ihre nächsten Dienste
an Bord des Christophorus freuen sie sich
aber bereits jetzt.
© öamtc
In besonders unwegsamem Gelände
ist manchmal eine Taubergung die
einzige Möglichkeit.
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