H
err Waigel, müssen die europä-
ischen Bürger Angst vor einem
Währungscrash haben? Wie ist
die derzeitige Krise aus Ihrer
Sicht lösbar?
Waigel:
Der Euro ist nicht in Gefahr, die
Bürger brauchen keine Angst vor einem
Währungs-Crash zu haben. Es geht um die
Bewältigung der Finanzpolitik in einigen
Ländern, insbesondere in Griechenland.
Letztlich muss Griechenland selber ent-
scheiden, ob es mit harten Anpassungs-
schritten die Fehler der letzten Jahrzehnte
beseitigt oder ob es versucht, außerhalb der
Währungsunion, aber mit Hilfe der Euro-
päischen Union, die Probleme zu bewälti-
gen. Die Maßnahmen der Regierungen der
Wirtschafts- undWährungsunion sind ins-
gesamt richtig und zielführend. Die Fort-
schritte in Irland, mutige Konsolidierungs-
maßnahmen in Portugal und Spanien sowie
eine vertrauenerweckende Politik in Italien
sind wichtige Schritte, um wieder Vertrau-
en in den Finanzmärkten zu erzeugen.
Welche Motive hatten Sie, die europäische
Gemeinschaftswährung zu schaffen?
Die
europäische
Gemeinschaftswäh-
rung steht seit Beginn der 50er Jahre auf
der Tagesordnung. 1972 gab es schon die
Währungsschlange, 1979 das Europäische
Währungssystem und 1989/90 haben wir
uns entschlossen, in einem Zeitraum von
etwa einem Jahrzehnt die Gemeinschafts-
währung auf den Weg zu bringen. Dies war
notwendig und sinnvoll, um den Binnen-
markt abzustützen und die unsäglichen
Währungsschwankungen und Realign-
ments (Neufestsetzung der Wechselkurse,
Anm.) der 80er und 90er Jahre zu beenden.
Der ehemalige französische Staatspräsi-
dent Mitterrand habe die Einführung der
EU-Währung forciert, weil er hoffte, damit
die Macht der „deutschen Atombombe“, also
der DeutschenMark, zu brechen, schreibt
der britische Autor DavidMarsh. Wie ord-
nen Sie diese Aussage ein?
Vorstellungen für eine gemeinsame euro-
päische Währung gab es vor Mitterrand.
Frankreich hat 1983 seine Wirtschafts-
und Finanzpolitik unter Mitterrand ent-
scheidend verändert. Der gegenwärtige
Staatspräsident Sarkozy hat Deutschland
mitten im Präsidentenwahlkampf als
Vorbild auch für die französische Wirt-
schaftsordnung herausgestellt. Hier geht
es nicht darum, die Macht eines anderen
zu brechen, sondern um Best Practices und
Benchmark, um im Globalisierungswett-
lauf bestehen zu können.
Welche Fehler wurden bei der Einführung
des Euro gemacht? Wurden die Sanktionen
gegen Staaten, die zu viel Schulden machen,
damals zu wenig hart formuliert?
Ich sehe keine Geburtsfehler, aber ich
registriere Erziehungsfehler. Griechen-
land hätte mit seinen Zahlen und seiner
Wirtschaftsperformance nie in die Wäh-
rungsunion aufgenommen werden dürfen.
Außerdem war es eine Todsünde, dass aus-
gerechnet Deutschland und Frankreichmit
Unterstützung anderer den Stabilitäts- und
Wachstumspakt 2004/2005 aufgeweicht
haben. Das hat zu einem laxen Umgang mit
den Regeln und dem Nachlassen von Ver-
trauen in die Institutionen geführt. Genau
das muss jetzt korrigiert werden.
Welche Fehler hat es bei der Aufnahme
Griechenlands in die Euro-Zone gegeben?
Griechenland hat mit seinen Zahlen ge-
trickst und geschwindelt. Nur Europa und
die Europäische Kommission haben zu
wenig kontrolliert. Auch Deutschland und
Frankreich haben eine stärkere Kontrolle
verhindert.
Inzwischen verstoßen fast alle EU-Länder
gegen den vereinbarten Stabilitätspakt.
Auch Deutschland. Wie kann Deutschland
da Sparsamkeit von anderen Ländern
verlangen?
„Ich gebe dem Euro
eine lange Lebenszeit“
Theo Waigel, einer der Väter des Euro, hält Ängste vor einem Zusammenbruch
der europäischen Währung für völlig unbegründet. Der Euro werde ein langes Leben haben, sagt
Waigel im Exklusiv-Interview, auch wenn in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden.
Interview: Michael Riedler
„Ichsehekeine
Geburtsfehler,
aber ichregistriere
Erziehungsfehler.
Griechenland
hättemit seinen
Zahlenundseiner
Wirtschaftsper-
formancenie indie
Währungsunion
aufgenommen
werdendürfen.“
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