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Das Raiffeisen-
Genossenschaftssystem
Um den Wechsel vom 19. auf das 20.
Jahrhundert wurde nach der Idee des
deutschen Sozialreformers Friedrich
Wilhelm Raiffeisen das genossenschaft-
liche System auch in Tirol aufgebaut.
Konkret ging es in den Anfängen darum,
der nach der Bauernbefreiung zwar über
Grund und Boden, jedoch nicht über
ausreichende Geldmittel verfügenden-
den Landbevölkerung zu günstigem
Kapital zu verhelfen. In jedem Dorf
sollten sich einige unbescholtene
Bauern zusammenfinden und einen
Vertreter wählen, der dann in der Stadt
gegenüber der Bank mit der Haftung
seiner Genossen argumentieren konnte.
So wurde die Aufnahme von erschwing-
lichem Kapital für Anschaffungen wie
Saatgut oder Landmaschinen möglich
gemacht und die Zinswucherei einiger
findiger Städter gegenüber der mittel-
losen Landbevölkerung unterbunden.
Ein weiterer Vorteil des Systems war
die automatische Kontrolle innerhalb
der Dorfgemeinschaft nach dem Motto
„einer für alle, alle für einen“. Die drei
Säulen des genossenschaftlichen
Systems sind dementsprechend auch
Selbstverwaltung, Selbstverantwortung
und Selbsthilfe.
Auch heute ist das Genossenschaftssys-
tem in Tirol noch sehr ausgeprägt. So
müssen nach dem Selbstverwaltungs-
grundsatz sämtliche Vorstände und
Aufsichtsräte aus den eigenen Reihen
kommen, also Miteigentümer der jewei-
ligen Körperschaft sein. Andere genos-
senschaftsspezifische Merkmale wurden
durch rechtliche Vorschriften, die für
alle Banken gelten, in den Hintergrund
gedrängt. Arnulf Perkounigg, Geschäfts-
führer des Tiroler Raiffeisenverbandes:
„Ein Beispiel dafür ist die gesetzliche
Verpflichtung, einen gewissen Eigenka-
pitalstock zu halten. Damit müssen auch
die Raiffeisenbanken entgegen dem
genossenschaftlichen Prinzip Gewinne
für sich selbst erwirtschaften.“
Der Tiroler
Raiffeisenverband
Dem Raiffeisenverband obliegt die
Prüfung der Bilanzen aller Genossen-
schaften in Tirol, die nach dem System
Raiffeisen organisiert sind. Das sind
nicht nur 81 Banken, sondern auch
acht Lagerhäuser, eine Molkerei, 32
Milch- und Sennereigenossenschaften,
achtzehn Bioenergie- und Elektrogenos-
senschaften sowie 68 weitere Genossen-
schaften bzw. Körperschaften ohne
Revisionspflicht wie Vereine oder Tier-
zuchtverbände. Weiters ist der Tiroler
Raiffeisenverband mit der Beratung und
der Interessensvertretung sämtlicher
Genossenschaften betraut.
Zusätzliche Aufgaben
Die Arbeit der Banken geht aber weit über
die genannten drei volkswirtschaftlichen
Grundaufgaben hinaus, spielen sie doch
auch eine sehr bedeutendeRolle in derWirt-
schaftspolitik. Allenvoran ist hier inEuropa
natürlich die EZB, die Europäische Zentral-
bank zu nennen, die die weitreichendsten
Beschlüsse fasst und an deren Entscheidun-
gen sich alle anderen Banken orientieren.
Je nach gegebener Wirtschaftssitua-
tion stehen den Instituten dabei verschie-
dene Instrumente zur Verfügung, um die
Gegebenheiten in eine gewünschte Rich-
tung zu lenken. Arnulf Perkounigg: „Jetzt,
wo wir gerade eine Krise hinter uns haben,
werden die Banken beispielsweise die Zin-
sen senken, damit Unternehmer günstiges
Kapital aufnehmen können und der Auf-
schwung weiter gefördert wird. Es ist dann
auch Aufgabe der Banken, dafür zu sorgen,
dass dieses niedrige Zinsniveau für eine
gewisse Zeit bestehen bleibt, damit Kre-
ditnehmer auch längerfristig planen kön-
nen und sich nicht von heute auf morgen
mit unbezahlbaren Zinsen konfrontiert
sehen.“ Umgekehrt können Banken natür-
lich auch die Zinsen anheben, zumBeispiel,
wenn sich die Wirtschaft zu schnell in
Richtung Inflation entwickelt. Eine andere
Steuermöglichkeit ist das Vergrößern oder
Verkleinern des Eigenkapitalstandes, um
Kapital aus dem Markt zu nehmen bzw. in
den Markt fließen zu lassen. „Auch im Be-
reich der Wirtschaftssteuerung haben die
Tiroler Raiffeisenbanken gute Abstim-
mungsmöglichkeiten und können durch die
unmittelbare Einbindung in kleinräumige,
lokale Kreisläufe einen gewissen Spiel-
raum ausschöpfen. Alle Entscheidungen,
die nicht von EZB oder vom Gesetzgeber
vorgegeben sind, werden direkt vor Ort
getroffen“, beschreibt Arnulf Perkounigg
die wirtschaftspolitische Rolle der Tiroler
Raiffeisenbanken.
Historisch
gesehen
gehörten
die
Dienstleistungen im Zahlungsverkehr und
Veranlagungsbereich ursprünglich nicht
zum eigentlichen Aufgabenbereich der
Banken. Heute sind diese Geschäftsfelder
für eine Bank von immenser Bedeutung
– man braucht sich nur vor Augen führen,
wie viele Abbuchungsaufträge, Überwei-
sungen, Einzahlungen, Geldbehebungen,
Bankomat- oder Kreditkartenzahlungen
man selber im Laufe eines Monats tätigt.
Und vom Veranlagungssektor, der alles
vom Bausparvertrag über die Fondsanlage
bis zumAktienpaket beinhaltet, ist da noch
gar keine Rede ...
Regionale Geldinstitute wie die Tiroler Raiffei-
senbanken sind direkt vor Ort tätig und kennen
deshalb die strukturellen Besonderheiten der
regionalen Wirtschaft ganz genau.
A conto
Abschlagszahlung. Üblich sind A-conto-Zahlungen
meist auf längerfristige Lieferverträge, wie zum Bei-
spiel für Strom oder Gas. Die Endabrechnung erfolgt
am Ende des Jahres.
Aktie
Eine Aktie ist ein Anteil an einer Aktiengesellschaft,
der entsprechende Mitgliedschaftsrechte verbrieft. Die
Aktie dient der AG zur Beschaffung von Eigenkapital.
Basel I, II, III
Eigenkapitalvereinbarungen, die die Kreditverga-
be der Banken regeln. Die seit 1988 geltende und
seither mehrfach ergänzte Eigenkapitalvereinba-
rung („Basel I“) wurde zum 1.1.2007 durch die neue
Eigenkapitalvereinbarung („Basel II“) ersetzt. Die
Empfehlungen des Basler Ausschusses stützen sich
auf drei Pfeiler: Mindesteigenmittelanforderungen,
Aufsichtsrechtlicher Überprüfungsprozess und Kon-
trolle durch den Markt. Basel III soll 2013 schrittweise
in Kraft treten.
Bankgarantie
Ein unabhängig vom Grundgeschäft bestehendes
Zahlungsversprechen einer Bank in Form einer
Garantie. Durch diese übernimmt die Bank die
finanzielle Absicherung ihres Kunden. Üblich ist eine
Bankgarantie beispielsweise statt einer Kaution
beim Abschluss eines Mietvertrags einer Wohnung.
Bausparvertrag
Ein Bausparvertrag ist ein Sparvertrag, den der
Anleger (Bausparer) mit einer Bausparkasse ab-
schließt. Er wird hauptsächlich für die Finanzierung
von wohnwirtschaftlichen Maßnahmen eingesetzt.
Die vertraglich vereinbarte Bausparsumme wird zu
einem vertraglich festgelegten Prozentsatz ange-
spart. Der bis zur abgeschlossenen Vertragssumme
fehlende Teil wird bei Zuteilung des Bausparvertrags
als Bauspardarlehen gewährt, so dass der Bausparer
bei Zuteilung über die volle Bausparsumme verfü-
gen kann. Der Bausparer hat einen Rechtsanspruch
auf das Bauspardarlehen, der sogar vererbbar ist.
Bonität
Bonität bezeichnet die Kreditwürdigkeit eines
Kunden und ist gleichzeitig eine Einschätzung seiner
Zahlungsfähigkeit
Darlehen
Vertrag, durch den einem Darlehensnehmer Geld
oder vertretbare Sachen auf Zeit zum Gebrauch
überlassen werden. (siehe auch Kredit)
Deflation
Deflation bezeichnet eine Zeitperiode mit negativer
Inflationsrate und wirtschaftlicher Krise; im Unter-
schied zur Inflation ist die Deflation mit sinkenden
Preisen verbunden.
Devisen
Unter Devisen versteht man Ansprüche auf Zahlun-
gen in fremder Währung im Ausland, meist in Form
von Guthaben bei ausländischen Banken sowie von
auf fremde Währung lautenden, im Ausland zahl-
baren Schecks. Als Devisen bezeichnet man auch
von Inländern gehaltene Bestände an ausländischen
Währungen.
Dividende
Die Dividende ist der auf die einzelne Aktie ent-
fallende Anteil am Bilanzgewinn. Die Anteile der
Aktionäre am Gewinn bestimmen sich nach ihren
Anteilen am Grundkapital (§ 60 I AktG), in Euro pro
Mindestnennwert oder in Prozenten des Nennwertes
ausgedrückt.
Inflation
Das Gegenteil von Deflation, ist mit steigenden
Preisen verbunden.
Investmentfonds
Ein Fonds ist ein Konstrukt zur Geldanlage. Eine
Investmentgesellschaft sammelt das Geld der
Anleger, bündelt es in einem Sondervermögen (=
Investmentfonds) und investiert es in einem oder
mehreren Anlagebereichen. Durch die Streuung des
Geldes auf verschiedene Anlagegegenstände wird
das Anlagerisiko reduziert.
Joint Venture
Ein Joint Venture ist eine Kooperationsform. Zwei
oder mehr Partnerunternehmen sind mit Kapital am
Joint Venture beteiligt und tragen gemeinsam das
finanzielle Risiko der Investition
KeSt (Kapitalertragssteuer)
In Österreich beträgt die Kapitalertragsteuer (KESt)
einheitlich 25 % und ist als Abgeltungsteuer konzi-
piert. Mit Abführung der KESt ist der Kapitalertrag
abschließend besteuert und wird bei Berechnung
des steuerpflichtigen Einkommens nicht mehr
miteinbezogen.
Kredit
Unter Kredit versteht man die Überlassung von
Kapital bzw. Kaufkraft auf Zeit (Kreditgewährung)
bzw. das Vertrauen in die Fähigkeit und Bereitschaft,
Schulden zurückzuzahlen. „Kredit“ ist gegenüber
„Darlehen“ der umfassendere Begriff, da er sich
nicht nur auf die Geldleihe, sondern auch auf andere
Kreditarten erstreckt.
Leasing
Leasing ist eine besondere Vertragsform der
Vermietung und Verpachtung von Investitions- und
Konsumgütern. Das Leasing-Objekt wird entweder
von einer speziellen Leasing-Gesellschaft vom
Hersteller gekauft und dann dem Leasing-Nehmer
übergeben (indirektes Leasing) oder direkt vom
Produzenten verpachtet (direktes oder Hersteller-
Leasing).
Nominalwert
Der Nominalwert ist der Nennwert eines Zahlungs-
mittels. Der Wert des Zahlungsmittels ist gesetzlich
festgelegt. Der Nennwert bildet zugleich die Rechen-
einheit. Existieren mehrere offizielle Zahlungsmittel
nebeneinander, so muss ihr gegenseitiges Wertver-
hältnis in einem Nennwertsystem festgelegt sein.
Risikokapital
Risikokapital ist das Beteiligungskapital, das in Grün-
dungs- und Wachstumsphasen von Unternehmen
zum Einsatz kommt, in denen die charakteristische
Kombination von hohem Risiko und großem Wert-
steigerungspotential am stärksten ausgeprägt ist.
Shareholder
Shareholder sind Inhaber von Anteilen eines
Unternehmens.
Skonto
Als Skonto bezeichnet man einen prozentualen
Nachlass, wenn die Rechnung innerhalb einer
bestimmten Frist beglichen wird, z. B. „Binnen zehn
Tagen drei Prozent Skonto“.
Sparbrief
Anlagealternative zur Spareinlage mit fester (länge-
rer) Laufzeit und fester (höherer) Verzinsung, kein
Wertpapier im Sinn des Depotgesetzes. Ein Kursrisi-
ko ist nicht vorhanden. Die Zinsen werden entweder
ausgezahlt oder kumuliert.
Tantieme
Eine Tantieme ist der Anteil am Jahresgewinn eines
Unternehmens und somit eine Form der Gewinnbe-
teiligung.
Verzinsung
Bei der Verzinsung eines Darlehens gibt es
mehrere Modelle. Beim variablen Zinssatz können
die Zinsen vom Kreditinstitut an veränderte
Marktbedingungen angepasst werden, beim
Festzins ist dies nicht möglich. Die Verzinsung
von Spareinlagen ist ebenfalls von mehreren
Faktoren wie Laufzeit und Einlagenhöhe abhängig.
Wertpapier
Ein Wertpapier ist ein in Form einer Urkunde ver-
brieftes Vermögensrecht, zu dessen Ausübung der
Besitz der Urkunde nötig ist.
Was bedeutet eigentlich …?
Dividende, variabler Zinssatz, Bonität – Fachbegriffe aus der Welt des Geldes und des Sparens
sorgen häufig für Verwirrung. Hier ein kleines Glossar.
Quellen: Gabler Wirtschaftslexikon, Wikipedia, Bundesministerium für Finanzen
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