Seite 20-21 - Raiffeisen Magazin

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„Der Faktor Mensch“
Herbert Stepic zählt zu den profilitiertesten Bankmanagern Europas.
Der Chef von Raiffeisen Bank International über das typisch Österreichische an der von
ihm geführten Bankengruppe, die Planbarkeit von Erfolg und die Vorzüge Tirols.
Text: Matthias Krapf
H
err Stepic, wie hält man als
Chef Kontakt zu 59.000
Mitarbeitern?
Herbert Stepic:
Schwie-
rig, aber es geht. Zur Masse natürlich nur
indirekt über interne Medien, Videobot-
schaften oder Veranstaltungen. Oder über
die lokalen Vorstände. In Wien habe ich es
damit klarerweise leichter, obwohl es auch
da aus terminlichen Gründen nicht oft vor-
kommt, dass sich ein spontanes Gespräch
mit einemMitarbeiter ergibt. Dafür bin ich
bei jeder Veranstaltung einer der letzten,
der geht oder zu tanzen aufhört.
Was ist typisch österreichisch an der
Raiffeisen Bank International?
All das, was typisch ist für Raiffeisen ins-
gesamt. Zusammenarbeit, Zusammenhalt,
Offenheit für neue Ideen und Lösungsan-
sätze, flache Strukturen, lösungsorientier-
tes Arbeiten statt Denken in Hierarchie-
ebenen, „der FaktorMensch“,Weltoffenheit
und so weiter. Gewürzt mit einer kräftigen
Prise Internationalität durch die vielen
Mitarbeiter aus dem Ausland und im Aus-
land. Zudem bin ich ein Anhänger eines de-
zentralenManagementstils.
Ist die Raiffeisen-DNA in der Ukraine
dieselbe wie in Österreich?
Natürlich nicht ganz, aber im Kern. Ich
erlebe dort denselben Einsatz und Erfolgs-
willen wie bei uns in Österreich, teilweise
vielleicht sogarmehr, imSinne vonErfolgs-
hunger. Andererseits haben die Leute aus
naheliegenden Gründen nicht die gleiche
Beziehung zu den historischen Raiffeisen-
Werten wie meine Kolleginnen und Kolle-
gen in Österreich.
Gibt es für Sie Tage ohne Smartphone?
Ich habe keines. Ich verwende mein Mobil-
telefon für den Zweck, für den es ursprüng-
lich erfunden wurde.
Wie viele Tage im Jahr verbringen
Sie geschäftlich imAusland?
Rund ein Drittel meiner Arbeitszeit, cirka
90 Tage. Das ist schon wesentlich weniger
als früher, als ich in manchen Jahren die
halbe Arbeitszeit imAusland verbrachte.
Privat kommen sie häufig auch nach Tirol.
Was hat das Land, was andere nicht haben?
Meine Frau ist Tirolerin, daraus ergibt sich
schon einmal eine sehr emotionale Bindung.
Ich habe viele Freunde in Tirol, die aus-
nahmslos geradlinig sind und Handschlags-
qualität haben. ZumBeispiel unserNachbar,
der Landwirt Franz, der die Geburts- und
Sterbedaten meiner Familie besser kennt
als ich. Ich liebe die Berge und freue mich,
dass auchmeine Söhne Tirol lieben.
Könnten Sie auf einemDIN-A4-Blatt
erklären, wie die Finanzwelt funktioniert?
Ja. Man muss ja nicht ins Detail gehen.
Wenn man den Vergleich mit dem Blut-
kreislauf der Wirtschaft hernimmt, ist das
keine Hexerei. Im Detail geht das natür-
lich nicht, aber man kann ja auch zwar den
Blutkreislauf auf einemBlatt erklären, aber
nicht, wie der gesamte Körper funktioniert,
der von ihm versorgt wird.
Hat die Finanzwelt aus der Krise gelernt?
Welche Schlüsse haben Sie für sich gezogen?
Die Finanzwelt hat sicher aus der Krise
gelernt, wenn auch vielleicht nicht in ihrer
Gesamtheit. Und was sie nicht gelernt hat,
hat sie schon und wird sie noch in Form von
neuen Auflagen der Regulierungsbehörden
bekommen. Wobei man ja gerade die Be-
hörden und die Politik nicht aus der Pflicht
nehmen kann, wenn es um die Ursprünge
der Finanzkrise geht. Meine Schlüsse wa-
ren jedenfalls recht einfach: Wir müssen
umsatteln vom Managen des Wachstums
zum Managen knapper Ressourcen. Das
betrifft aber nicht nur den Finanzbereich.
Ist Erfolg planbar?
In gewisser Weise. Man kann sich ein Ziel
setzen und das mit aller Kraft verfolgen.
Das wär's dann aber schon mit der Selbst-
bestimmung über den Erfolg, da man nicht
jeden Rückschlag oder jede Schwierigkeit
einplanen kann, von zu vielen externen
Faktoren abhängig ist, inklusive „force ma-
jeure“ (höhere Gewalt, Anm. d. Red.).
Kann man sich an Erfolgsdruck gewöhnen?
Wenn nicht, wäre man ein schlechter Ma-
nager. Und mit 50 ausgebrannt.
Wer kritisiert Sie?
Privat meine Frau – häufig. Beruflich mein
Aufsichtsrat – zum Glück nur manchmal.
Und einige meiner Mitarbeiter, durchaus
nicht nur aus den oberen Führungskreisen.
Ich bin bekannt dafür, auszuteilen, aber
auch einstecken zu können.
Die drei schlimmstenManagementfehler?
Sich mit Ja-Sagern zu umgeben. Den Blick
fürs Ganze im Chaos der Details zu verlie-
ren. Abzuheben, den Kontakt zur und das
Gespür für die Basis zu verlieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person
Dr. Herbert Stepic (64),
Vorstandsvorsitzender der
Raiffeisen Bank International,
begann 1973 seine Karriere bei
Raiffeisen. 1995 wurde er zum
stellvertretenden Generaldirek-
tor der Raiffeisen Zentralbank
Österreich ernannt, 2001 über-
nahm er den Vorsitz der damals
neu strukturierten Raiffeisen
International. Der promovierte
Handelswissenschaftler wurde
vielfach ausgezeichnet – unter
anderem als „European Banker
of the Year 2006“.
Raiffeisen Bank
International
Die Raiffeisen Bank Interna-
tional AG (RBI) ist eine der
führenden Bankengruppen in
Österreich und Zentral- und
Osteuropa. Weiters ist das bör-
sennotierte Tochterunterneh-
men der Raiffeisen Zentralbank
Österreich – die RZB hält 78,5
Prozent der Anteile, der Rest
befindet sich in Streubesitz –
auch am asiatischen Markt sehr
aktiv. Über 59.000 Mitarbeiter
(Stand September 2010) be-
treuen rund 15 Millionen Kunden
in etwa 3000 Geschäftsstellen.
Die RBI ist vergangenes Jahr
aus der Fusion der Kunden-
geschäftsfelder der RZB und
Raiffeisen International hervor-
gegangen.
www.rbinternational.com
„Privat kritisiert mich
meine Frau – häufig.
Beruflichmein Auf-
sichtsrat – zumGlück
nur manchmal.“
© RBI/K. Vyhnalek
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