Seite 2 - Raiffeisen kompakt Ausgabe 01/2013

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Wirtschaftsinformation der Tiroler Raiffeisenbanken
Raiffeisen kompakt 01/2013
INTER/NATIONAL
Aus derRegion,
für dieRegion
125 Jahre Raiffeisen in Tirol.
Schon die Gründer der ersten
Raiffeisenkasse verstanden sich
auch als Partner für die Wirt-
schaft vor Ort.
E
r muss ein sehr energischer und
durchsetzungsstarker Mann ge-
wesen sein, dieser Johann To-
bias Haid (1846–1924), seines
Zeichens Landtags- und Reichsratsabge-
ordneter, k.k. Postmeister, Weinhändler und
Postwirt zum Kassl in Oetz. Dem umtrie-
bigen Unternehmer und seinen Mitstreitern
ist es jedenfalls zu verdanken, dass Rai!ei-
sen in Tirol heuer sein 125-jähriges Bestehen
feiernkann. ImDezember 1888 gründete eine
Handvoll Honoratioren mit Haid an der Spit-
ze die „I. Rai!eisensche Darlehenskasse“ Ti-
rols, die wenige Wochen später ihren Betrieb
aufnehmen sollte.
Es waren harte Zeiten für die Menschen
am Land. Die Ideen Friedrich Wilhelm
Rai!eisens, des großen Sozialreformers des
19. Jahrhunderts, kamen da gerade recht:
Hilfe zur Selbsthilfe, direkt vor Ort, unab-
hängig und eigenverantwortlich, so sollte
die Genossenschaftsbank nach dem Willen
ihrer Gründer auch imÖtztal funktionieren.
Und das tat sie auch.
Man hatte die Zeichen der Zeit richtig er-
kannt: Im ganzen Land folgten Dorfgemein-
schaften denOetzer Vorreitern. Binnen zwei
Jahren entstanden in Nord- und Südtirol 32
Kassen nach dem Vorbild Friedrich Wil-
helmRai!eisens.
Wirtschaftsfaktor.
Schon in den Anfängen der Rai!eisen-Idee
in Tirol wurden die neuenGenossenschafts-
banken alsWirtschaftsfaktor für die Region
betrachtet. Auch 125 Jahre später verstehen
sich die 80 Tiroler Rai!eisenbanken und die
RLB Tirol AG als Partner für dieWirtschaft
in der Region.
Mit rund2800attraktiven, krisensicheren
Arbeitsplätzen direkt vor Ort in den Regionen
sind die Tiroler Rai!eisenbanken auch einer
der größtenArbeitgeber undnehmen inder re-
gionalen Wertschöpfungskette einen beson-
ders wichtigen Platz ein. Die erwirtschafteten
Gewinne werden nicht an die Konzernzentra-
le transferiert, sondern in einem erheblichen
Maß vor Ort reinvestiert. So betraut Rai!ei-
sen bei Investitionen – etwa in ein Betriebs-
gebäude – vornehmlich heimische Unterneh-
men mit den anfallenden Arbeiten, sodass
auch auf diesem Weg Arbeitsplätze gesichert
und gescha!enwerden.
Schon in den Anfän-
gen der Rai!eisen-
Idee in Tirol wurden
die neuen Genossen-
schaftsbanken als
Wirtschaftsfaktor für
die Region betrachtet.
Auf demWeg zur „feinen
Tiroler Bierkultur“
Zillertal Bier ist die älteste Privatbrauerei des Landes und tief in der Region verwurzelt.
Seit Jahren fährt man eine ganz eigene Strategie – mit Erfolg.
W
o, wenn nicht bei Ziller-
tal Bier, weiß man den
Wert einer langjährigen
Kundenbeziehung
zu
schätzen? Der älteste Abnehmer, das Gast-
haus Linde in Stumm, bezieht sein Bier seit
rekordverdächtigen 509 Jahren von der Tra-
ditionsbrauerei aus Zell am Ziller, die im
Jahr 1500 gegründet wurde und sich seit
1630 im Besitz derselben Familie befindet.
Entsprechend tief verwurzelt ist Zillertal
Bier in der Region – zumal sich das Markt-
gebiet der ältesten Privatbrauerei des Lan-
des auf Tirol (im Kern zwischen Kufstein
und Telfs) und Südtirol beschränkt. Dass die
rund 60.000 Hektoliter Bier pro Jahr prak-
tisch nur vor der Haustür verkauft werden,
sei „eine selbst auferlegte Begrenzung, weil
wir unsere Biere aus Prinzip nicht künstlich
haltbar machen“, erklärt Martin Lechner,
Geschäftsführer von Zillertal Bier. Entge-
gen den Gepflogenheiten der Branche liefert
man zudem zu 85 Prozent an die Gastrono-
mie, nur ein vergleichsweise kleiner Anteil
findet denWeg in die Supermärkte.
Das Sortiment besteht derzeit aus zwölf
„Bierspezialitäten“ – vom Pils, dem meist-
verkauften Bier, über Kreationen mit Bio-
Zertifikat wie dem Zwickl oder einem na-
turtrüben Radler bis hin zum berühmten
Gauderbock, der heuer beimGauderfest vom
2. bis 5. Mai ausgeschenkt wird. Allen Bieren
gemein sei, betont Martin Lechner, dass nur
beste Zutaten verwendet werden, wie hoch-
wertiges zweizeiliges Malz und feinster
Aromahopfen. Positiv auf Geschmack und
Trinkbarkeit wirken sich, so Lechner, neben
dem weichen Zillertaler Wasser außerdem
die langen Gär- und Lagerzeiten aus. Das
Pils zum Beispiel wird drei Monate gelagert
und erst dann abgefüllt.
Intakte Umwelt.
Die schnellste und billigste Produktion
muss nicht unbedingt die beste sein. „Eine
Brauerei ist ein Lebensmittelbetrieb. Wir
sind also in besonderem Maß auf eine in-
takte Umwelt angewiesen“, sagt Lechner.
Schon heute werden zum Teil Zutaten aus
biologischem Anbau verwendet, sind bei
der Herstellung energiesparende Systeme
im Einsatz. Längerfristig will man sich bei
Zillertal Bier mithilfe von Photovoltaik und
Wärmeenergie-Erzeugung möglichst ener-
gieautark aufstellen. Zuerst steht aber ein-
mal der Abschluss eines anderen Großpro-
jekts bevor: die Übersiedlung des Sudhauses
vom Dorfzentrum an den Firmenstandort
am Bräuweg 1 nahe der Bundesstraße. In
den nächsten zwei, drei Monaten wird es so
weit sein: Dann wird nach den Gär- und La-
gertanks, die sich bereits seit 2010 dort be-
finden, auch das Herzstück der Brauerei in
Betrieb genommen. Zu den Kosten schweigt
Martin Lechner, aber: „In vier Jahren eine
neue Brauerei aufzubauen ist definitiv eine
Herausforderung für ein Unternehmen un-
serer Größe.“ Zumal das Projekt noch gar
nicht abgeschlossen ist. Bis kommendes
Jahr wird ein Besucherzentrum entstehen,
das Interessierten die Welt des Bieres im
Allgemeinen und die von Zillertal Bier im
Besonderen näherbringen soll – mit selbst
angebautem Hopfen und Malz, Seminar-
räumlichkeiten und einer Schau-Brauerei.
Exquisites Genussmittel.
Das Besucherzentrum ist ein weiterer Mei-
lenstein auf demWeg zu einer „feinenTiroler
Bierkultur“, die Martin Lechner seit Jahren
konsequent und mit Verve propagiert. Um
Bier als durchaus auch exquisites Genuss-
mittel zu präsentieren, setzt man bei Ziller-
tal Bier seit kurzemdeshalb auch auf Sonder-
editionen. So war man bei der Ski-WM in
Schladming mit einem Weltmeisterbier in
der 0,75- und 3-Liter-Sektflasche präsent.
Zwar ist der Bierkonsum in Österreich
im Gegensatz zu Deutschland konstant,
dennoch gilt es, den Konsumenten – insbe-
sondere die Damenwelt – geschmacklich
abzuholen und innovativ zu sein, so Lech-
ner, der hier die kleinen Brauereien mit ih-
ren Spezialitäten imVorteil sieht.
Bleibt die Frage, was denn ein gutes Bier
ausmacht. „Ein Bier muss erfrischen, fein
und rund sein“, sagt Martin Lechner. Und:
„Es muss Lust auf ein zweites machen.“
„Eine Brauerei ist ein Lebensmittelbetrieb.
Wir sind also in besonderemMaß auf eine
intakte Umwelt angewiesen.“
Martin Lechner, Geschäftsführer von Zillertal Bier
© GERHARD BERGER (4)
Pro Jahr verlassen derzeit 60.000
Hektoliter Bier die Brauerei in Zell
am Zilller.
Martin Lechner, Geschäftsführer
von Zillertal Bier