a
ngst ist eine Uremotion des
Menschen. Jeder kennt das Ge-
fühl, auch jene, die uns auf den
ersten Blick mutig erscheinen.
Wie beispielsweise die Weltklasseklette-
rin Anna Stöhr. Die 23-Jährige holte 2011
den Weltmeistertitel und den Gesamtwelt-
cupsieg im Bouldern und klettert seit ihrer
Kindheit. Trotzdem hat sie das mulmige
Gefühl, das sie anfangs in der Vertikalen
beschlich, noch nicht vergessen.
„Bei mir hat es auf alle Fälle Angst ge-
geben. Ich kann mich noch gut daran erin-
nern, dass ich, als ich noch ganz jung war,
beim Vorstieg immer Angst hatte, über den
Haken zu steigen oder mich ins Seil fallen
zu lassen“, erzählt die Spitzensportlerin,
die sich mittlerweile aufs Bouldern spezi-
alisiert hat, eine Teildisziplin des Sport-
kletterns, die ohne Seil und Klettergurt
auskommt. Die Sportler bewegen sich dabei
in Absprunghöhe auf Fels in der Natur oder
in der Halle. Vor Verletzungen schützen sie
Matten, die sogenannten Crashpads und
die Spotter. Spotter sind Kletterpartner,
die sich für den Fall bereithalten, dass der
Kletterer abrutscht und den Halt verliert.
Sie müssen einerseits dafür sorgen, dass
der Stürzende auf den Matten landet, und
sollten außerdem verhindern, dass er un-
glücklich auf den Rücken oder den Kopf
fällt. Dazu braucht es Vertrauen, das Ge-
genteil von Angst.
KonZenTrierT sichern
Das Vertrauen kam bei Anna Stöhr mit der
Zeit, durch Sturztraining und dadurch,
selbst zu erleben, dass nichts passiert,
wenn man sich fallen lässt. „Das ist eigent-
lich etwas total Lässiges: Wenn du da oben
hängst und weißt, jetzt kann ich nicht mehr
weiter, jetzt muss ich loslassen, und dann
zu sehen, es ist kein Problem“, erzählt die
Tirolerin. „Irgendwann willst du extra
ein paar Schlingen auslassen und ins Seil
springen, weil es so viel Spaßmacht“, findet
auch Profikletterer Jakob Schubert.
Der 21-jährige Innsbrucker gewann
sieben Weltcups in Folge und sicherte sich
im vergangenen Jahr den Vorstiegs- und
Gesamt-Weltcupsieg im Klettern. Angst
kennt er trotzdem noch. Vor allem am Fels.
„Es gibt auch bei uns Profis Momente der
Angst. Das kann man nicht komplett ver-
drängen“, sagt Schubert. Vor allem wenn
die Haken auf dem Fels nicht zwei, son-
dern fünf Meter auseinanderliegen, sei
die Anspannung immer noch da. Schubert
klettert Vorstieg. Dabei muss er nicht nur
seinem Kletterpartner vertrauen, der ihn
sichert, sondern dieser auch ihm.
Anna Stöhr und Jakob Schubert klet-
tern meist mit Freunden. „Wenn man die
Person länger kennt, hat man ohnehin
ein gewisses Vertrauen in sie“, meint der
21-Jährige. Das Vertrauen anderer gewinnt
er, indem er zeigt, dass er konzentriert si-
chert – nicht immer eine Selbstverständ-
lichkeit. „Das kommt auch bei uns Profis
vor, dass der eine oder andere nicht so auf-
merksam sichert. Da muss man sich dann
halt auf einen etwas härteren Sturz einstel-
len, aber das ist dann auch kein Problem“,
lacht Jakob.
VerTrauen KommT miT der ZeiT
Schwieriger wird’s, wenn jemand das Ver-
trauen der Kletterer einmal verspielt hat,
auch wenn es dazu einiges braucht. Stöhr
hat grundsätzlich kaum ein Problem damit,
sich ihren Kletterpartnern anzuvertrauen.
Aber: „Wenn jemand amBoden telefonieren
würde, während er mich sichert, hätte er
mein Vertrauen sicher einige Zeit verspielt.“
Klettern sei prinzipiell ein sehr siche-
rer Sport. Und er boomt in Tirol. Die wach-
sende Beliebtheit bringt allerdings auch
gewisse Risiken mit sich. Schubert und
Stöhr trainieren im Schnitt an fünf Tagen
der Woche, im Winter auch oft in der Klet-
terhalle beim Tivoli-Stadion in Innsbruck.
Dabei werden sie immer wieder Zeugen von
Stürzen anderer Sportler. „Immer mehr
Leute fangen an zu klettern. Zum Teil wer-
den sie vonFreundenmitgenommen, die ih-
nen nur schnell, schnell zeigen, wie’s geht“,
meint Stöhr. Das kann gefährlich werden.
„Unfälle passieren, weil jemand, der keine
Erfahrung hat, schlecht mit dem Material
umgeht“, sagt die 23-Jährige. Wichtig sei,
ANNA STÖhR
Die Tirolerin, die am 25. April 1988 in
Reith im Alpbachtal geboren wurde,
klettert seit ihrer Kindheit. erste sport-
liche erfolge feierte sie bereits im Alter
von 15 Jahren. bei der Jugendkletter-
WM 2003 in Veliko Tarnovo (bulgarien)
errang sie im Speed-bewerb den ersten
Platz, später feierte sie vor allem beim
bouldern erfolge und darf sich mittler-
weile zweifache boulder-Weltmeisterin
nennen. Die 23-jährige Spitzenathletin
ließ sowohl bei der Weltmeisterschaft im
spanischen Avile 2007 als auch bei der
WM in Arco 2011 sämtliche Konkurren-
tinnen hinter sich und holte sich Gold.
2011 war für Anna Stöhr ein besonders
erfolgreiches Jahr, denn sie konnte
außerdem noch den Gesamtweltcup für
sich entscheiden. Ihre Leidenschaft fürs
Klettern hat sie von ihren eltern in die
Wiege gelegt bekommen. Ihr Partner
Kilian Fischhuber ist wie sie selbst
erfolgreicher Profikletterer.
Raiffeisen fördert den Klettersport in Ti-
rol durch unterstützung der heimischen
Kletter-Asse Angy eiter, Jakob Schu-
bert, Anna Stöhr, die Nachwuchstalente
Kathi Posch, elena bonapace und Lukas
ennemoser. bei allen wichtigen Klettere-
vents in Tirol ist Raiffeisen Sponsor.
„Unfälle
passieren,
weil jemand,
der keine Erfah-
rung hat, schlecht
mit demMaterial
umgeht.“
© gerhard berger
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