Seite 5 - Raiffeisen kompakt Ausgabe 01/2014

Basic HTML-Version

Wirtschaftsinformation der Tiroler Raiffeisenbanken
Raiffeisen kompakt 01/2014
Gastkommentar
Prof. Dr.
Bernd Marin
ExecutiveDirectordesEuropean
Centre forSocialWelfarePolicy
andResearch inWien
© marin
Pensionskonto und Pensionsvorsorge –
einige aktuelle Überlegungen
Rund 80 Prozent der Österreicher fürchten um ihre Pension: Besteht diese Angst zu Recht? Nein und Ja:
zu Unrecht, weil natürlich jede(r) etwas bekommen wird, das „Pension“ heißen wird. Zu Recht, weil Leis­
tungsniveau und Anspruchsvoraussetzungen der Alterssicherung nicht zu halten sein werden. Schmerz­
liche Einbußen an Einkommen oder Komfort im Zugang zu Pensionsansprüchen sind unvermeidlich.
W
ir hatten allein seit der
Jahrtausendwende meh-
rere größere und viele
kleinere
Pensionsrefor-
men. Beide Hauptziele, mehr Pensionssi-
cherheit und Budgetkonsolidierung, wurden
verfehlt: Der Zuschussbedarf an Bundes-
mitteln hat sich trotz weiterer Leistungs-
einschränkungen weit mehr als verdoppelt.
Dabei hat die kritische demographische Ent-
wicklung noch gar nicht begonnen: Die „Al-
terslastquote“ wird sich erst mit der Verren-
tung der Babyboom-Jahrgänge verdoppeln
und bis 2040 ihren Höhepunkt erreichen.
Aber die Zeitfenster für Reformen schließen
sich rasch, heute kann der Rückgang der er-
werbsfähigen Bevölkerung durch steigen-
de Beschäftigung gerade noch ausgeglichen
werden. Ab etwa 2018 wird der Alterungs-
effekt alles dominieren und Wachstum und
Produktivität nur noch durch Innovationen
möglich werden.
Die Einführung des neuen Pensions-
kontosystems mit 1.1.2014 verbessert frag-
los die Situation. Zwar wäre ein Beitrags-
kontensystem auf Umlagebasis, wie etwa
in Schweden, unseren „Leistungskonten“
überlegen, aber gegenüber dem bisherigen
Durchwursteln eines Nebeneinanders alter
Rechtslagen (vor 2003), „Parallelrechnung“,
APG-Konto usw. ist die Kontoerstgutschrift
ein Fortschritt. Sie bedeutet mehr Durch-
blick über erwartbare Ansprüche, damit
mehr Realitätssinn für Vorsorgeentschei-
dungen nach Maßgabe der Pensionslücken.
Diese können brutto oder besser netto, rela-
tiv zum beitragspflichtigen Durchschnitts-
lebenseinkommen oder besser gegenüber
den letzten Aktivbezügen berechnet wer-
den, um das Ausmaß nötiger materieller
Einschränkungen im Dritten Lebensalter –
oder eben der Vorsorgeerfordernisse im Er-
werbsalter – bestimmen zu können.
Weiterarbeiten wird attraktiver.
Gegenüber der bisherigen „Parallelrech-
nung“ sowie auch gegenüber der parallel zur
„Parallelrechnung“ weiterbestehenden al-
ten Rechtslage 2003 gibt es durch die Kon-
toerstgutschrift nur Vorteile, obschon künf-
tige Rentner deutlich weniger bekommen
werden als frühere Generationen. Das hat
aber kaumetwas mit demneuen APG-Konto
zu tun, das auch Besserstellungen bedeuten
kann und etwaige Pensionskürzungen mit
höchstens 3 Prozent begrenzt, sondern mit
der dadurch abgelösten „Parallelrechnung“.
Sie bewirkte gegenüber der Rechtslage 2003
etwa für „Korridor“-Pensionisten im Alter
von 62 mit mittlerem Einkommen bis über
20 Prozent Pensionseinbußen – die aber erst
jetzt durch das Konto voll sichtbar werden.
Andererseits wird Weiterarbeiten bis
zum oberen Korridor (68 Jahre) sehr viel
attraktiver: Es bringt plus 53 Prozent mehr
Rente als ein Ruhestandsantritt am unteren
Rand des Korridors mit 62 Jahren, ein Ef-
fekt, der schon mit der „Parallelrechnung“
(plus 33 %) günstiger war als in der alten
Rechtslage mit plus 12 Prozent. Dabei war
vor allem ein Weiterarbeiten in den kriti-
schen Jahren zwischen 62 und 65 mit jähr-
lich bloß 0,8 bis 1,1 Prozent mehr Pension
eine wahre Zumutung: Der Versicherungs-
gemeinschaft wurde ein Vielfaches erspart,
aber individuell weitestgehend weggesteu-
ert, während Frühpensionen überwiegend
quersubventioniert wurden – und zwar je
früher, umso mehr. Also höchst selbstzer-
störerisch und unfair.
40 ist das neue 30.
Unsere Lebenserwartung steigt seit etwa
200 Jahren stetig an, derzeit um phantasti-
sche 80 bis 109 Tage, Jahr für Jahr. Das be-
deutet, dass wir jedes Jahrzehnt 2,5 Jahre
„jünger“ werden als nominell „Gleichaltri-
ge“ vor einer Dekade – ein 50-Jähriger heute
ist so „alt“ oder „jung“ wie ein 46,5-Jähriger
zur Jahrtausendwende. Meine Großmutter
hatte bei Geburt dieselben 46 Jahre Lebens-
erwartung wie eine 30-jährige Frau in den
1960er Jahren oder eine 38- bis 40-Jährige
heute. Formelhaft verkürzt: „40 ist das neue
30“, etwa im Vergleich mit dem Jahr 1956,
als das ASVG geschaffen wurde.
Dass wir in den 1970er Jahren bis 62
bis 66,8 Jahre gearbeitet haben, entspräche
heute einem Pensionsalter von 70 bis 74,5.
Diese „Altersinflation“, wie ich das nenne,
übersehen wir meist: Man vergleicht nomi-
nell „gleiche“ Alter, etwa 65, während das
rea­le „Alter“ (etwas weniger als 15 Jahre fer-
nerer Lebenserwartung) heute etwas total
anderes bedeutet und viel später einsetzt als
noch vor ein oder zwei Generationen. Auch
durch Zuwanderung verjüngt sich unsere
Gesellschaft objektiv, Wien etwa hat heu-
te ein niedrigeres mittleres Alter als 1995.
Dass trotz ständig steigender Lebenserwar-
tung die Lebensarbeitszeit gleichzeitig nicht
nur nicht zunimmt, sondern sogar abnimmt,
bedeutet eine Art kollektives Harakiri.
Ob erstmals das Pensionsantrittsalter
etwas rascher ansteigen wird als die weitere
Zunahme der Lebenserwartung (und zwar
ohne statistische Artefakte statt Verhal-
tensänderungen), wie die Regierung schon
im Vorhinein stolz verkündet, wird man
erst gegen Ende der Legislaturperiode se-
hen. Alles andere wäre freilich ein weiteres
Zurückfallen Österreichs gegenüber OECD-
Europa, dem wir zur Millenniumswende
nur ein bis zwei Jahre, inzwischen aber vier
bis fünf Jahre im Ruhestandszugangsalter
hinterherhinken. Um den diesbezüglichen
Schlusslichtstatus in Europa loszuwerden,
bräuchten wir freilich etwas wie ein hollän-
disches oder italienisches Wunder, nicht al-
lein bei den Invaliditätspensionen.
„Dass trotz ständig steigender Lebenserwartung die Lebensarbeitszeit
gleichzeitig nicht nur nicht zunimmt, sondern sogar abnimmt, bedeutet
eine Art kollektives Harakiri.“
DirekteHilfe.
Allein in Innsbruck leben rund 250 Obdachlose. Menschen
ohne ein Dach über demKopf. Nicht weniger als 4.750 Euro haben die Mitarbei-
terinnen undMitarbeiter der RLB Tirol AG imRahmen ihrer heurigenWeih-
nachtsaktion gesammelt, um diesenMenschen zu helfen. VomVorstand wurde
der Betrag verdoppelt. Mit ihrer Sammelaktion unterstützen die Raiffeisen-
Banker den Innsbrucker Verein für Obdachlose, der sich um die Beratung von
obdachlosen oder von Obdachlosigkeit bedrohtenMitmenschen kümmert. Ne-
ben der Spende in der Höhe von 9.500 Euro übergaben RLB-Vorstandssprecher
Dr. Hannes Schmid und Betriebsrätin Doris Bergmann außerdem über 100 Kar-
tons an Sachspenden anMichael Hennermann, den Geschäftsführer des Vereins
(Mitte). Darunter so dringend benötigte Gegenstände wie Schlafsäcke, Ruck­
säcke, Winterkleidung oder Isomatten.
Vorzeichen.
Die RLB Kunstbrücke eröffnet das Ausstellungsjahr 2014 mit der Aus-
stellung „Werner Feiersinger. VORZEICHEN“. Der 1966 in Brixlegg geborene und seit
Jahren inWien lebende Künstler erhielt im letzten Jahr den Tiroler Landespreis für
zeitgenössische Kunst. Bereits 2004, als der RLB Kunstpreis das erste Mal ausgerufen
wurde, war er einer der Hauptpreisträger. Heuer, zehn Jahre nach der Gründung des
RLB Kunstpreises, widmet ihm die RLB Kunstbrücke eine Einzelausstellung. Für die-
ses Projekt hat Werner Feiersinger eine Rauminstallation entwickelt, die die räumliche
Wahrnehmung der RLB Kunstbrücke erstmals seit ihrer Eröffnung im Jahr 1998 we-
sentlich verändert. Neben der Intervention stehen seine bildhauerischen Zeichnungen
imMittelpunkt. Die Ausstellung ist bis einschließlich 30. Mai zu sehen.
Einstieg.
Hubert Schenk ist neuer Leiter der Abteilung
Firmenkunden in der Raiffeisen-Landesbank Tirol AG. Der
51-jährige Tiroler folgt Prokuristin ChristineWeixler nach, die
mit Jahreswechsel in den Ruhestand gewechselt ist. Schenk ist
seit über 30 Jahren imBankgeschäft und war auf seinen bisheri-
gen beruflichen Stationen bei verschiedenen Banken erfolgreich
imFirmenkundengeschäft tätig.
© raiffeisen/forcher
© Raiffeisen
© Raiffeisen
Werner Feiersinger, Installation Venetalm/Imsterberg, 2007
ImRampenlicht