31 KOMPAKT 2|2025 – FRAUEN IM KAPITALMARKT eidi Verocai-Dönz ist das, was man eine beeindruckende Erscheinung nennt: Ihr straightes Outfit – blauer Anzug, weiße Bluse, streng zurückgebundenes Haar – ist längst zu ihrem Markenzeichen geworden. Ihr Blick ist geradeheraus, aufmerksam, interessiert, ihre Gestik selbstbewusst kontrolliert. Wenn sie spricht, formuliert sie akzentuiert, glasklar und in druckreifen Sätzen. Die Walther-Kastner-Preisträgerin des Jahres 1992 stand eigentlich am Beginn einer verheißungsvollen wissenschaftlichen Karriere, forschte auf dem Gebiet der Spieltheorie und asymmetrischen Informationsverteilung, doch dann erbat sie sich zwei Jahre Karenz, um im Rahmen von „Wissenschafter für die Wirtschaft“ noch Praxisluft zu schnuppern. VON DER UNI IN DEN VORSTAND — „Ich dachte mir, ich kann nicht etwas lehren, das ich selbst nie gemacht habe.“ Da sie die damalige AlpenBank bereits von einem UniProjekt her kannte, stieg sie dort als Revisorin ein. Was den Vorteil mit sich brachte, dass sie dadurch die gesamten Bankprozesse von der Pike auf kennenlernte. Der praktische Deep Dive erwies sich als derart spannend, dass sie nicht mehr an die Uni zurückkehrte, sondern es binnen zehn Jahren bis in die Vorstandsetage schaffte. Zwar liebe sie die Universität wegen der Freiheit der Gedanken, erzählt uns Verocai-Dönz, aber sie habe eben auch eine große Leidenschaft für das Thema Finanzen. DIE KUNST PASSIERT JETZT — Wir sitzen auf der Terrasse ihres Vorstandsbüros im noblen Innsbrucker Saggen mit Blick auf mächtige alte Bäume und sorgsam gepflegte Gartenanlagen, sprechen über den Kapitalmarkt, der seit Monaten in alle Richtungen ausschlägt. Diese Volatilität werde auch in absehbarer Zeit bleiben, bestätigt uns Verocai-Dönz. Die Kund:innen seien allerdings lange nicht mehr so nervös wie in der Vergangenheit. Eines ist für sie jedoch unbestritten: „Die Kunst zeigt sich immer in schwierigen Zeiten“, denn Private Banking sei ein People Business und Vertrauen das wichtigste Asset. INVESTIERT BLEIBEN — Die Veranlagungsphilosophie ihres Hauses „Investiert sein und bleiben“ setzt dabei klar auf Konstanz, was sich auch historisch bewahrheitet habe. So sei der DAX-Index zwischen 1990 und 2025 im Wert um 1.200 % angestiegen. Wer in diesem Zeitraum die 20 besten Tage versäumt habe, erzielte somit nur eine Rendite von 3,17 % gegenüber den möglichen 7,56 % p. a. bei vollem Investment. „Das richtige Markt-Timing ist ein großer Mythos“, erklärt uns die passionierte Private Bankerin, denn die besten und schlechtesten Handelstage lägen oft ganz dicht beieinander. NOCH IMMER MÄNNERSACHE — Als Bankvorständin war Verocai-Dönz über viele Jahre eine „einsame“ Ausnahme. Das habe sich zwar mittlerweile geändert, die gläserne Decke sei jedoch nach wie vor ein Faktum – und auch die Kundenstruktur in Vermögensverwaltung und Veranlagung klar männlich dominiert. „Hier schlagen noch immer die alten Rollenstereotype durch.“ Denn das Finanzielle regle vielfach noch immer der Mann. Nach dem Ableben des Partners wüssten die Frauen dann häufig nicht, wie sie die Veranlagungen weiterführen sollen, weil sie nicht entsprechend instruiert wurden. TALENT UND SELBSTSABOTAGE — Dabei hätten Frauen für das Wertpapiergeschäft durchaus eine gute Hand. „Sie gehen weniger Risiko ein, streuen breiter und halten sich nicht schon von vornherein für Börsengurus.“ Das seien eigentlich gute Voraussetzungen, allerdings schlage das Pendel häufig ins andere Extrem aus: „Mit ihrer chronischen Selbstunterschätzung stehen sich viele Frauen auch karrieretechnisch vielfach selbst im Weg – leider.“ VORSTÄNDIN IN TEILZEIT — Nach der erfolgreichen Fusion von Walser Privatbank und AlpenBank vor drei Jahren, die sie als strategischen Glücksfall bezeichnet und als Erfolgsmodell, da man auf die kulturellen Aspekte großen Wert gelegt habe, hat sich Verocai-Dönz mittlerweile für eine Viertagewoche entschieden. „Teilzeit war immer eine Karrierefalle, doch wir geben auch Mitarbeiter:innen in Leitungsfunktion die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten.“ Indem sie das ebenfalls nutze, gehe sie einfach mit gutem Beispiel voran. „Wissen Sie, zu Beginn meiner Karriere habe ich wenig von der Quote gehalten“, sagt sie zum Abschied. „Aber mit Freiwilligkeit allein ändert sich wenig. Man muss schon klare Signale setzen.“| H Eine Pionierin der Finanzbranche Als Heidi Verocai-Dönz vor 22 Jahren in den Vorstand der mittlerweile neu formierten Alpen Privatbank bestellt wurde, war sie die erste Bankvorständin Westösterreichs. Selbst wenn sich seither einiges bewegt hat, sind Frauen im Kapitalmarkt noch immer unterrepräsentiert. Dabei hätten sie gerade fürs Wertpapiergeschäft eine gute Hand, findet Verocai-Dönz. Von Christine Frei
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