Serie: Tiroler Top-Unternehmerinnen Tiroler Tourismusgespräche mit Richard David Precht LinkedIn als wichtiges Recruiting-Tool FÜHREN HEISST ZUHÖREN RLB-Tirol-Vorständin Gabriele Kinast schwört auf Perspektivenvielfalt.
2 INHALT – KOMPAKT 2|2025 Produktion: TARGET GROUP Publishing GmbH, Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck Coverfoto: © Aria Sadr-Salek Layout: Grafik Weiss, Innstraße 39, 6020 Innsbruck Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Horn 3 Editorial Von Thomas Wass, Sprecher der Raiffeisen-Bankengruppe Tirol: Drehen wir das Verhältnis mal um. 4 Man muss sich was trauen Der Weg zur Finanzvorständin der Montanwerke Brixlegg war für Gabriele Punz-Praxmarer alles andere als vorgezeichnet. 6 Tiroler Licht mit Weitblick Mit ihrer Firma Artluce entwickelt Regina Wurster seit über 25 Jahren maßgeschneiderte integrative Lichtlösungen. 8 Qualität, die unter die Haut geht Hinter der renommierten PMU-Marke Swiss Color stehen die Tiroler Schwestern Ingrid Bregenzer und Helga Langreiter. 10 Sich selbst treu bleiben Obwohl das nie ihr Plan war, hat die Architektin Pia Zobl schließlich den väterlichen Zimmereibetrieb Holzbau Zobl übernommen. 12 Mit Hammer und Tablet Die Schwestern Nadine und Fiona Dagn leiten einen der größten und innovativsten Spengler- und Dachdeckerbetriebe Tirols. 14 Chefin und New Workerin Gabriele Kinast, seit Jahresbeginn Vorständin der RLB Tirol, setzt in ihrer Führung auf Partizipation und Perspektivenvielfalt. 17 Mitarbeitende sind die wichtigsten Multiplikatoren Eine Präsenz auf LinkedIn gilt längst als Business-Must. Wir haben bei Country-Managerin Barbara Wittman nachgefragt, warum. 20 Einfach mal loslegen Die Längenfelder Unternehmerin Rebecca Kammerlander hat sich ganz dem Thema Female Empowerment verschrieben. IMPRESSUM Medieninhaber, Herausgeber, Verleger: Raiffeisen Werbung Tirol, Adamgasse 1-7, 6020 Innsbruck, Tel. 0512 5305-0, ZVR 779000637|Bundespolizeidirektion Innsbruck Chefredaktion: Mag. Christine Frei, Public Relations der Raiffeisen-Landesbank Tirol AG Autor:innen: Michaela Ehammer, Daniel Feichtner, Anna Füreder, Wiebke Hammling, Barbara Kluibenschädl, Sonja Mayrhofer, Elisabeth Rathgeb, Lisa Schwarzenauer, Markus Wechner Erscheinungsort: Innsbruck Verlagspostamt: 6020 Innsbruck Informationen zur Offenlegung gem. § 25 MedienG können hier abgerufen werden: http://raiffeisenkompakt.tgweb.at/info/impressum/ 22 Tradition in Frauenhand Mit Katharina Hradecky wird das Hotel Hinteregger in Matrei in Osttirol bereits in vierter Generation von einer Frau geführt. 24 Ein langer Weg des Lernens Ein kompakt-Interview mit Richard David Precht, der bei den Tiroler Tourismusgesprächen die Abschluss-Keynote halten wird. 27 Einfacher berichten Sustainable-Finance-Experte Werner Zima erklärt, was mit der Omnibus-Verordnung auf die Tiroler Unternehmen zukommt. 28 Unabhängig und umweltfreundlich RaiCharge, das neue Heimlade-Service von Raiffeisen-Leasing, ermöglicht eine bequeme und finanzamtskonforme Abrechnung. 29 Trend zum Speicher Die RLB-Tochter Raiffeisen Regenerative unterstützt mittlerweile auch bei der Planung und Umsetzung von Batteriespeichern. 30 Eine Pionierin der Finanzbranche Als Heidi Verocai-Dönz vor 22 Jahren in den Vorstand der AlpenBank berufen wurde, war sie die erste Bankvorständin Westösterreichs. 32 Top-Karriere trotz Hindernissen Mit Fatma Cömert, der neuen Vorstandsvorsitzenden des RSC Tirol, setzt Raiffeisen ein klares Zeichen für mehr Diversität. 34 Das vorletzte Wort Werte wie Solidarität und Respekt sollten wieder ins Zentrum unseres Zusammenlebens rücken, sagt Caritas-Direktorin Elisabeth Rathgeb. 30 © CHRISTIAN O. BRUCH 8 24 © ARIA SADR-SALEK
3 KOMPAKT 2|2025 – EDITORIAL DREHEN WIR DAS VERHÄLTNIS MAL UM ir kennen das: Zum Weltfrauentag im März und dann im Oktober beim stets ernüchternden Hinweis auf den Equal Pay Day stehen sie kurz im Fokus – doch schon am nächsten Tag rücken medial wieder andere Themen an die erste Stelle, in denen großteils Männer das Sagen haben. Auch in unserem kompakt-Magazin sind Frauen mitunter deutlich unterrepräsentiert, wobei wir dies in unseren Redaktionsabstimmungen immer thematisieren und zumindest bei unseren Coverstorys bereits seit einigen Jahren konsequent ein 50:50-Verhältnis von Männern und Frauen am Titelbild durchziehen. Nichtsdestotrotz haben wir uns dieses Frühjahr gedacht: Drehen wir das Verhältnis doch mal um und gestalten ein Heft, in dem wir mehrheitlich spannende und erfolgreiche Unternehmerinnen und Topmanagerinnen unseres Landes vorstellen und zum Gespräch bitten. Ein Frauenheft also? Ja und nein: Denn Sie werden staunen, wie vielschichtig und so gar nicht rollenstereotyp die Unternehmerinnenlandschaft in Tirol ist. Zudem erfüllt es mich schon mit ein wenig Stolz und noch mehr Dankbarkeit, dass wir diese mutigen, innovativen, hochkompetenten Entrepreneurinnen auf ihrem Erfolgsweg begleiten dürfen. Nicht weniger stolz machen mich klarerweise auch die großartigen Frauen in unseren eigenen Reihen – wie etwa die neue Vorständin unseres Tochterunternehmens Raiffeisen Service Center Tirol Fatma Cömert, die durch ihren Migrationshintergrund und ihre breite Führungs- und Branchenerfahrung ganz neue und ungemein wertvolle Perspektiven in unsere Organisation einbringen wird. Oder Heidi Verocai-Dönz, die die Geschicke der mittlerweile fusionierten Alpen Privatbank schon seit 22 Jahren als Vorständin federführend mitbestimmt. Nachdem wir nun auch in der Raiffeisen-Landesbank Tirol erstmals eine Frau im Vorstand haben, widmen wir die Covergeschichte dieser Ausgabe meiner geschätzten Kollegin Gabriele Kinast. Als erfahrene New Workerin setzt sie in ihrer Führungsarbeit ganz auf Partizipation und Vernetzung. Was uns als Organisation enorm weiterbringen wird, da wir in unseren künftigen neuen Arbeitswelten im RAIQA diese Form von Leadership und Zusammenarbeit dann über alle Bereiche hinweg etablieren und leben werden. Und ja, mittlerweile sehen wir in einzelnen Branchen tatsächlich erste leichte Anzeichen einer wirtschaftlichen Entspannung. Zwar sind wir noch längst nicht über den Berg, aber so können wir zwischendurch zumindest ein klein wenig aufatmen. Auch das ist wichtig. So bleibt mir nur noch, Ihnen nun viel Freude und Inspiration beim Durchblättern und Lesen und einen erholsamen und schönen Sommer zu wünschen. W 02|2025 © FRAZ OSS Sprecher der Raiffeisen-Bankengruppe Tirol © ALEX GRETTER
1 1. Schätzt den Zusammenhalt im Unternehmen: MontanwerkeBrixlegg-Vorständin Gabriele Punz-Praxmarer. 2. In Brixlegg wird das weltweit klimafreundlichste Kupfer produziert. 2 BEIDE BILDER © ARIA SADR-SALEK „Ich habe mich gefragt: Will ich jetzt einen neuen Chef oder mache ich es selber?“ Gabriele Punz-Praxmarer, Vorständin der Montanwerke Brixlegg
5 KOMPAKT 2|2025 – TOPMANAGERIN IM PORTRÄT Der Weg zur Finanzvorständin war für sie alles andere als vorgezeichnet. Mittlerweile gilt Gabriele Punz-Praxmarer, die seit 14 Jahren dem Vorstand der Montanwerke Brixlegg angehört, als eine der Topmanagerinnen des Landes, ist zudem seit dem Vorjahr Vizepräsidentin der Industriellenvereinigung Tirol und seit Kurzem auch Obfrau im WKO-Fachverband der Nichteisenmetallindustrie. Von Christine Frei MAN MUSS SICH WAS TRAUEN m liebsten wäre sie ja Englisch- und Deutschlehrerin geworden, erzählt uns Gabriele Punz-Praxmarer. Aber davon habe man ihr aufgrund der damaligen Lehrerschwemme eindringlich abgeraten. Also entschied sich die gebürtige Mühlviertlerin für ein Jusstudium in Graz. Doch auch ihren nächsten Traumberuf Richterin musste sie wegen einer Aufnahmesperre bei Gericht ad acta legen. So landete sie nach vielen verschickten Bewerbungen – „es war damals schwierig, als Juristin ohne Berufserfahrung einen Job zu finden“ – schließlich als Junior bei der KPMG in Linz, entdeckte ihre Liebe zu Zahlen, absolvierte nebenbei noch die Ausbildung zur Bilanzbuchhalterin und Steuerberaterin und heuerte 2005 nach ihrer Übersiedelung nach Tirol als Leiterin des Finanz- und Rechnungswesens bei den Montanwerken Brixlegg an. CRASHKURS IN RESILIENZ — Dort durchlief sie erst mal einen veritablen Crashkurs in Sachen Resilienz, galt es doch 2008 aufgrund des dramatisch fallenden Kupferpreises eine Fast-Pleite des Unternehmens sowie zwei Jahre später eine Insolvenz der Muttergesellschaft durchzustehen. Zwar lockte der vormalige Arbeitgeber bereits mit einem attraktiven Jobangebot, sie entschied sich jedoch zu bleiben. „Der Zusammenhalt in der Belegschaft war enorm, und die Menschen waren mir einfach ans Herz gewachsen.“ Als der damalige Eigentümer Mirko Kovats ihr 2011 schließlich die Position der Finanzvorständin anbot, habe sie nicht lange gezögert. „Ich habe mich gefragt: Will ich jetzt einen neuen Chef oder mache ich es selber?“ Die Antwort war für sie klar: „Man muss sich auch mal was trauen und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen.“ IV-VIZE UND BRANCHENSPRECHERIN — Obwohl Punz-Praxmarer im gesamten Unternehmen von Anfang an enormen Rückhalt genoss, mittlerweile im Präsidium der Industriellenvereinigung Tirol mitmischt und seit Kurzem auch dem WKO-Fachverband der Nichteisenmetallindustrie als Obfrau vorsteht, wurde sie in der Öffentlichkeit zunächst kaum als krisenfeste Topmanagerin und als Role Model für Frauen in einer ausgewiesenen Männerbranche wahrgenommen. Auch hierfür benötigte es offenkundig Durchhaltevermögen. Dabei nimmt sich die sportbegeisterte 52-Jährige, die mit einem Mathematik- und Physiklehrer verheiratet ist, im Gespräch kein Blatt vor den Mund. Gerade wenn es etwa um die „völlig verfehlte“ Förderungspolitik der Regierung in der Coronazeit und die überbordenden Lohnkostenabschlüsse der letzten drei Jahre geht. „Da haben wir uns im Wettbewerb aus dem Rennen genommen.“ BESORGT ÜBER US-BACKLASH — Selbst wenn die Montanwerke als Kupfer-Upcycling-Unternehmen mit dem weltweit besten CO2-Fußabdruck ein Musterbetrieb in Sachen Nachhaltigkeit sind, ist sie fest davon überzeugt, dass man dieses Thema nicht mit Bürokratie und Berichterstattung lösen könne. Trumps irrationaler Zollpoker trifft die Montanwerke glücklicherweise nicht, weil man primär in Europa tätig ist. Sehr besorgt zeigt sich die siebenfache Patentante jedoch über die Auswirkungen seiner Anti-Diversitätspolitik. Viele namhafte Unternehmen hätten die Frauenquote mittlerweile wieder abgeschafft, was dazu führen werde, dass junge Frauen und Mütter karrieretechnisch erneut ins Hintertreffen geraten, weil ihrer Förderung weniger Priorität eingeräumt werde. „Diese Entwicklung ist fatal – sowohl für die Gesellschaft wie für die Unternehmen.“ Frauen hätten vielfach eine andere Sicht auf die Dinge, brächten insbesondere auch in Führungspositionen neue Perspektiven ein. Gemischte Teams seien daher immer besser, erst recht im Vorstandsbereich. KEINE SCHEU VOR KRITIK — Als Führende sei es ihr wichtig, immer den ganzen Menschen im Auge zu haben, um zu erkennen, was ihn gerade bewegt. Sie habe außerdem keine Scheu, sich Kritik zu stellen und Fehler einzugestehen. „Ich bin schließlich auch nur ein Mensch.“ Feedback sei essenziell, um sich weiterzuentwickeln. Sie wünsche sich dann aber kon- krete Lösungsvorschläge, denn Kritik um der Kritik willen mache nur schlechte Stimmung und bringe niemanden weiter. | A
6 UNTERNEHMERIN IM PORTRÄT – KOMPAKT 2|2025 Tiroler Licht mit Weitblick m Firmensitz in Vomp tüfteln Regina Wurster und ihr 16-köpfiges Team mit viel Herzblut an zukunftsweisenden Ansätzen für integrative Lichtlösungen. Für die Mitbegründerin war von Anfang an klar: „Es sollte eine serviceorientierte Firma mit schlanker Struktur sein – mit einem schlagkräftigen Team und Begeisterung für Licht.“ Hochwertige Lichttechnik und ein Full Service stehen dabei ganz oben auf der Agenda. „Mit individuell angepassten Leuchten sowie als Bindeglied zwischen Baustelle und Fachplaner bieten wir einen Mehrwert für das Projekt und den Bauherrn.“ EIN BLICK ZURÜCK — Gegründet wurde Artluce 1999 als Tochterfirma des Lichtstudios Eisenkeil. Zielrichtung war die Herstellung von Leuchten mit technischem Charakter für gewerbliche Objekte. „Zu Beginn konzentrierten wir uns auf die damals gefragten Niedervoltsysteme, heute liegt der Fokus ausschließlich auf maßgeschneiderten Lichtlösungen“, so Wurster. Ausschlaggebend für die Positionierung als Nischenanbieter war eine Zusammenarbeit mit einem renommierten Lichtplaner Anfang der 2000er-Jahre. „Ich war fasziniert von den Möglichkeiten, die sich aus dem Zusammenspiel von hochwertiger Lichttechnik und professionaler Lichtplanung eröffnen.“ Seither hat sich Artluce kontinuierlich weiterentwickelt. Innovation in der Produktentwicklung, Effizienz und Digitalisierung waren dabei ständige Begleiter. EINZIGARTIGE LICHTBLICKE — Heute steht Artluce für Kompetenz im Projektgeschäft. „Als Partner mit hohem Qualitätsanspruch und Verlässlichkeit arbeiten wir vorwiegend mit Licht- und Elektroplanern zusammen“, sagt Wurster. Jedes Projekt sei gleich spannend wie herausfordernd. Die Leuchten werden am Standort in Vomp entwickelt, konstruiert und gefertigt. „Wir haben ein gewisses Portfolio, das wir je nach Projekt den Kundenwünschen anpassen.“ Von Schulen und Kindergärten über Beleuchtungen in Shoppingcentern bis hin zu Veranstaltungszentren und Büroflächen spannen die Aufträge europaweit einen weiten Bogen. AM PULS DER ZEIT — Der technische Fortschritt sei indes rasant, wie die Lichtexpertin weiß: „Intelligente Beleuchtungssysteme, die in smarte Gebäudetechnologien integriert oder mit mobilen Geräten gesteuert werden, sind heute zentrale Elemente.“ Auch sogenannte HCL-Konzepte (Human Centric Lighting) seien auf dem Vormarsch. „Mittels Lichtfarbe und Beleuchtungsstärke wird hierbei die natürliche Tageslichtkurve simuliert, um Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Gesundheit in den Fokus zu rücken.“ Dafür brauche es das entsprechende technische Know-how, das nicht zuletzt durch „Learning by Doing“ entstehe. Motivation schöpfen Wurster und ihr Team dabei vor allem aus der Leidenschaft für ihre Arbeit. „Licht ist Emotion, Wohlbefinden, Leben und Faszination – auch heute nach über 25 Jahren noch.“| A © ARIA SADR-SALEK Maßgeschneiderte Beleuchtungen für anspruchsvolle Kund:innen – diesem Credo hat sich die Firma Artluce verschrieben. Seit über 25 Jahren bedient Regina Wurster damit erfolgreich eine Nische. Von Michaela Ehammer
7 KOMPAKT 2|2025 – UNTERNEHMERIN IM PORTRÄT „Licht ist Emotion, Wohlbefinden, Leben und Faszination – auch heute nach über 25 Jahren noch.“ Regina Wurster, Geschäftsführerin von Artluce
8 UNTERNEHMERINNEN IM PORTRÄT – KOMPAKT 2|2025 © ALEX GRETTER „Uns ist es besonders wichtig, genau zu wissen, was in unseren Produkten enthalten ist.“ Ingrid Bregenzer (li.), Gründerin von Swiss Color
9 KOMPAKT 2|2025 – UNTERNEHMERINNEN IM PORTRÄT Ingrid Bregenzer und Helga Langreiter bringen seit beinahe drei Jahrzehnten Farbe in das Leben ihrer Kund:innen – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit Swiss Color haben sie eine international gefragte Marke für Permanent-Make-up-Farben und PMU-Kosmetikausbildungen aufgebaut. Von Barbara Kluibenschädl ermanent Make-up (PMU) ist heute ein fester Bestandteil im Repertoire der Kosmetikbranche. Die Vielfalt an Techniken und Farbtönen scheint nahezu unbegrenzt. Doch vor rund dreißig Jahren sah die Situation noch ganz anders aus. „Als ich in den 90ern als Permanent-Makeup-Stylistin begonnen habe, gab es gerade einmal fünf Farben“, erinnert sich Ingrid Bregenzer, Gründerin von Swiss Color. DIE ANFÄNGE — Dank ihrer Ausbildung an der Glasfachschule Kramsach und der dadurch erworbenen Kenntnisse in Farbtheorie wusste sie: Für natürliche und individuell abgestimmte Ergebnisse reicht das nicht aus. Kurzerhand entwickelte sie eigene Farbtöne für die verschiedenen Hauttypen und Ansprüche – zunächst für die Anwendung bei ihren Kund:innen, später auch für Kolleg:innen – und legte damit 2003 den Grundstein für das Unternehmen. INTERNATIONAL EXPANDIERT — Ein Jahr nach der Gründung der Marke Swiss Color kam Helga Langreiter, die Schwester von Ingrid Bregenzer, in den Betrieb. Mit ihrer Ausbildung an der Handelsakademie in Wörgl brachte sie das nötige betriebswirtschaftliche Know-how mit, das es für die nächsten Schritte brauchte. „Am Anfang bin ich noch von Kunde zu Kunde gefahren und habe die Produkte persönlich verkauft“, erzählt sie. Doch das sollte sich schnell ändern: Erste Messeauftritte im In- und Ausland eröffneten neue Märkte und neue Vertriebswege – heute ist Swiss Color international aufgestellt, mit Vertriebspartnern in Europa, Asien, dem Nahen Osten und Nord- und Südamerika. VON DER SCHWEIZ NACH ANGERBERG — 1997 eröffnete Ingrid Bregenzer das medizinische Fachinstitut für Kosmetik und Permanent Make-up in St. Gallen. 2004 wurde die Firma SC-International AG in St. Gallen gegründet, welche für die Farbherstellung anfangs alleine verantwortlich war. Und im Jahr 2021 wurde dann schlussendlich der neu gebaute internationale Hauptsitz von Swiss Color in Angerberg eingeweiht, inklusive der Swiss Color Academy, in der speziell die Anwendung der hauseigenen Produkte vermittelt wird. Ergänzt wird das Angebot durch ein professionell geführtes Kosmetikstudio vor Ort. „Dort bieten wir verschiedenste Behandlungen an, darunter Permanent Make-up, Derma-Needling, dauerhafte Haarentfernung, podologische Pediküre und weitere kosmetische Anwendungen“, so Helga Langreiter. ÄSTHETIK TRIFFT MEDIZIN — Swiss Color ist längst nicht mehr nur im ästhetischen Bereich unterwegs – auch medizinisch-kosmetische Anwendungen sind heute ein wichtiger Teil des Portfolios. „Frauen, die nach einer Brustkrebsoperation ihre Brustwarze verloren haben, können wir mit Permanent Make-up dabei unterstützen, die Areola realitätsnah zu rekonstruieren“, erklärt Ingrid Bregenzer, „dadurch wird ein Stück Lebensqualität wiederhergestellt.“ Aus dem medizinischen Bereich hat sich bei Swiss Color ein weiterer Geschäftszweig entwickelt: die hauseigene Kosmetiklinie Derma SR. „Eigentlich war das lange nicht geplant“, erinnert sich Ingrid Bregenzer, „doch durch die medizinische Areola-Pigmentierung benötigten wir eine Pflege, die genau auf die sensiblen Hautbedürfnisse sowie Narbenpflege abgestimmt ist.“ TRANSPARENZ UND QUALITÄT — Die Linie verzichtet bewusst auf bedenkliche Inhaltsstoffe wie allergene Duftstoffe, Parabene, Silikone oder künstliche Farbstoffe. „Uns ist es besonders wichtig, genau zu wissen, was in unseren Produkten enthalten ist“, betont Ingrid Bregenzer. „Und das erwarten auch unsere Kund:innen. Sie möchten nachvollziehen können, welche Wirkung die einzelnen Wirkstoffe auf die Haut haben.“ Für die beiden Unternehmerinnen ist das nicht nur eine Frage der Verantwortung, sondern ein zentrales Anliegen: Transparenz und Qualität, verbunden mit einer sichtbaren Wirkung, ist das Leitprinzip ihrer täglichen Arbeit.| P QUALITÄT, DIE UNTER DIE HAUT GEHT
10 1 Sich selbst treu bleiben Im Sommer 2022 übernahm die Architektin Pia Zobl den Zimmereibetrieb ihres Vaters in Tannheim, obwohl sie das eigentlich nie wollte. Wie sie es geschafft hat, ihren eigenen Weg zu gehen, und was dabei die größten Herausforderungen waren. Von Wiebke Hammling BEIDE BILDER © DODO FOTO ei ihrem Vater habe Pia Zobl gesehen, was es heißt, selbstständig zu sein, Verantwortung für Mitarbeiter:innen zu tragen und gleichzeitig von ihnen abhängig zu sein. „Darum und weil ich nicht klassisch den Beruf des Zimmerers gelernt habe, habe ich mich immer dagegen gewehrt, den Betrieb zu übernehmen“, erzählt die Architektin. Weil sich ihr Vater aber nicht ernsthaft um seine Nachfolge kümmerte, holte sich Zobl Unterstützung bei einem Firmenberater. „Mit dessen Hilfe habe ich gelernt, dass ich nicht die Rolle meines Vaters übernehmen muss, sondern meine eigene finden kann.“ Die Übernahme sei für sie als Unternehmerin der größte Meilenstein gewesen. Insbesondere die Mitarbeiter:innenführung fordere sie auch heute noch heraus. „Konfliktpotenzial haben vor allem alte Gewohnheiten, die noch aus der Zeit meines Vaters stammen. Mit der Zeit lernt man aber, auch solche Themen offen anzusprechen.“ KREATIVE BEFREIUNG — Nach der HTL arbeitete Zobl bereits in der Zimmerei ihres Vaters mit, entschied sich dann aber für ein Architektur-Studium in Innsbruck. „Durch die Zimmerei bin ich schon früh mit Handwerk und Holz in Berührung gekommen. Von zu Hause habe ich also das Praktische mitbekommen. Das Studium war dann gut, um mich auch kreativ zu befreien“, erinnert sich die Unternehmerin. Das Planen und Gestalten habe sie schon immer gereizt und mache ihr auch heute noch am meisten Spaß. WACHSTUM — 2015 wagte sie zunächst als Architektin den Schritt in die Selbstständigkeit. Heute hat sie es geschafft, beide Unternehmen – Holzbau Zobl und pia.plant – miteinander zu vereinen. „Dafür haben wir drei Schwerpunkte definiert, nämlich das ‚Pia-Haus‘, das für Planung Individueller Architektur steht, Sanierungen und den klassischen Holzbau.“ Zu der Neuausrichtung gehöre für Zobl auch der gesamte Firmenauftritt. Darum wurde beziehungsweise wird vom Logo bis zum Schauraum alles entsprechend modernisiert. „Das mag vielleicht oberflächlich klingen, war aber für mich ein wichtiger Schritt, das Unternehmen zu meinem zu machen“, erklärt Zobl. DER RICHTIGE ANTRIEB — Was die Zukunft betrifft, ist die Unternehmerin bescheiden: „Ich möchte eigentlich nicht viel größer werden. Stattdessen wünsche ich mir Bauherren, die sich am Ende so wohlfühlen, wie wir uns das bei der Planung vorgestellt haben.“ Ihr sei es einfach wichtig, auch weiterhin hinter dem stehen zu können, was sie macht und verkauft. „Ich glaube, wenn man etwas aus Überzeugung tut, dann wird es auch gut. Und dann stellt sich der Erfolg ganz von allein ein.“ | B UNTERNEHMERIN IM PORTRÄT – KOMPAKT 2|2025
„Ich glaube, wenn man etwas aus Überzeugung tut, dann wird es auch gut. Und dann stellt sich der Erfolg ganz von allein ein.“ Pia Zobl, Geschäftsführerin von Holzbau Zobl und pia.plant 1. Pia Zobl vereint in ihrer Karriere den Zimmereibetrieb ihres Vaters mit ihrer Passion als Architektin. 2. Die Entscheidung, die väterliche Zimmerei zu übernehmen, war für sie keine einfache. 2
12 1. Fiona (li.) und Nadine Dagn führen seit fünf Jahren den Familienbetrieb. 2. Viele Produktionsprozesse wurden gänzlich digitalisiert. 1 2 „Schon unser Vater war und ist Visionär. Vor Jahren hat er bereits erkannt, was uns helfen könnte, effektiver zu arbeiten.“ Fiona Dagn, Co-Geschäftsführerin der Hermann Dagn GmbH BEIDE BILDER © DEFRANCESCO PHOTOGRAPHY UNTERNEHMERINNEN IM PORTRÄT – KOMPAKT 2|2025
13 Nadine und Fiona Dagn leiten mit der Hermann Dagn GmbH einen der größten Spengler- und Dachdeckerbetriebe Tirols. Mit ihrem Fokus auf Innovation und Digitalisierung verbinden sie traditionelles Handwerk mit modernster Technik. Von Markus Wechner MIT HAMMER UND TABLET ber 60 Mitarbeiter:innen arbeiten derzeit bei der Hermann Dagn GmbH in Kössen. Nadine und Fiona Dagn sind seit 2020 Geschäftsführerinnen und leiten das Unternehmen – gemeinsam mit Martin Kerschbaumer – bereits in dritter Generation. „Unser Opa hat den Betrieb in den 50er-Jahren zur Betonziegelherstellung gegründet“, erklärt die studierte Betriebswirtin Nadine Dagn. Ihr Vater Hermann strukturierte ihn in den 1980er-Jahren zu einem Spengler- und Dachdeckerbetrieb um. „Im Laufe der Jahre wurden die Projekte immer umfangreicher und anspruchsvoller und somit stieg auch der Personalbedarf“, so Fiona Dagn, die selbst eine Lehre im Betrieb absolvierte und die Meisterprüfung als Spenglerin ablegte. MIT GROSSEN SCHRITTEN VORAN — In den letzten Jahren hat das Unternehmen einen beeindruckenden Wandel durchlebt. Mit dem größten Investitionsprojekt der Unternehmensgeschichte wurde der Produktionsbetrieb auf Industriestandard 4.0 umgestellt. In diesem Zuge wurde das gesamte Werksgelände modernisiert, darunter die Produktionshallen und das Bürogebäude. Auch der Prozess zur Vorfertigung und Blechverarbeitung wurde vollständig digitalisiert und miteinander vernetzt. „Es war und ist ein mehrjähriger Prozess“, wie Nadine Dagn ausführt. Neben dem Ankauf von Schnitt- und Biegemaschinen wurden aber auch die Mitarbeiter:innen digital ausgerüstet: „Auch auf der Baustelle haben jetzt alle Tablets“, berichtet Nadine Dagn. Die Informationen landen dann direkt beim Produktionsleiter und gehen von dort an die Maschinen. „Für die Mitarbeiter:innen gibt es dazu laufend neue Schulungen.“ Grund für diese großflächige Umstellung war der Fachkräftemangel: „Man findet nicht mehr so viele Handwerker:innen, besonders in der Spenglerbranche ist das sehr schwierig“, weiß Fiona Dagn. TRADITION UND MODERNE — Digitalisierung sei im Handwerk laut den Dagn-Schwestern generell nicht weit verbreitet – Wissen hole man sich auf Messen und im Austausch mit anderen. „Schon unser Vater war und ist Visionär. Vor Jahren hat er bereits erkannt, was uns helfen könnte, effektiver zu arbeiten“, schildert Fiona Dagn. Auf diese Weise wurde die Hermann Dagn GmbH zu einem modernen Spenglerunternehmen, bei dem Innovation und Handwerk miteinander verflochten sind. Für die Integration von Handwerk und Technologie in seiner Branche gewann das Unternehmen im letzten Jahr auch den Tiroler Handwerkspreis in der Kategorie „Tradition & Moderne“. Künftig sei geplant, die Digitalisierung weiter voranzutreiben, neue Jobprofile zu schaffen und damit auch junge Menschen zu motivieren, einen handwerklichen Beruf zu erlernen.| Ü KOMPAKT 2|2025 – UNTERNEHMERINNEN IM PORTRÄT
14 RUBRIKNAME – KOMPAKT 2|2025 Für ihre Vorstandskollegen ist sie schlichtweg das Beste, was ihnen und dem ganzen Unternehmen passieren konnte. Die Rede ist von Gabriele Kinast, die seit Jahresbeginn als erste Vorständin in der Geschichte der RLB die Zukunft des Spitzeninstituts federführend mitgestaltet – und dabei ganz auf Partizipation und Perspektivenvielfalt setzt. Von Christine Frei CHEFIN UND NEW WORKERIN © ARIA SADR-SALEK
15 KOMPAKT 2|2025 – COVERSTORY ls sich Gabriele Kinast im November des Vorjahres im Rahmen des traditionellen Mit.Einander-Tages erstmals dem Tiroler Raiffeisensektor vorstellte, staunte man nicht schlecht. Kinast verzichtete bewusst auf die erwartete Leistungsschau, ließ den bisherigen beruflichen Werdegang und ihre Erfahrungen nur punktuell aufblitzen, erzählte vielmehr von sich selbst, ihrer Liebe zu den Bergen, dem lang gehegten Wunsch ihrer Familie nach einer Homebase in den Alpen und ihrer großen Freude darüber, nun einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der RLB und von Raiffeisen in Tirol leisten zu dürfen. Selbst wenn die gebürtige Baden-Württembergerin Pauschalurteile in der Geschlechterfrage so gar nicht mag, war schon bei ihrem ersten Auftritt spürbar, dass sie mit ihrer für Tiroler Verhältnisse eher untypischen Offenheit und ihrem Sich-Zeigen als Mensch und Frau einen ganz anderen und durchaus erfrischenden Wind in die Raiffeisen-Gremien einbringen wird. IMMER VOR DER WELLE SEIN — Geholt haben die Eigentümer der RLB Tirol die bestens ausgebildete Bankerin nicht nur wegen ihres breiten Backgrounds – von Kundenberatung bis hin zu Kredit- und Prozessmanagement –, sondern insbesondere wegen ihrer HR-Expertise, war sie doch in den letzten sieben Jahren bei der ebenfalls genossenschaftlich organisierten Berliner Volksbank für den gesamten Personalbereich zuständig und hat dort den Kultur-Shift hin zu New Work maßgeblich und federführend mitbegleitet. Große Projekte liegen ihr, „je größer, desto besser“, denn sie könne gut strukturieren, erkenne Abhängigkeiten und Wechselwirkungen sehr schnell, habe die Fähigkeit, sehr klar festzulegen, „was wir nicht tun werden“, und liebe es, planvoll vorzugehen. „Mein Credo ist seit jeher, vor der Welle zu sein und nicht dahinter.“ GENAU HINHÖREN, WAS ES BRAUCHT — Als Vorständin sei sie jetzt zwar nicht mehr so nah an den Dingen dran wie früher, umso wichtiger sei es ihr, das Ohr aufs Gleis zu legen, genau hinzuhören, wie es der Organisation und den Menschen geht, und zu schauen, was es als Nächstes braucht. Leadership bedeutet für sie, möglichst viele Perspektiven einzusammeln. „Je mehr ich einhole, umso besser wird das Ergebnis.“ Das habe sie von ihren zwei Monaten in Harvard als wichtigstes Learning mitgenommen, erzählt uns Kinast. Die Uni ziehe diesen Ansatz programmatisch durch: Man lebe mit acht Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen und Fachbereichen in einer WG und arbeite konstant und gemeinsam an den Studienthemen. „Es war einfach unglaublich, zu erleben, welchen Mehrwert dieser permanente Austausch stiftet.“ Das sei mittlerweile fest in ihrem Arbeitsalltag verankert. EINEN LANGEN ATEM FÜR PARTIZIPATION — Sie halte daher auch wenig davon, Dinge „Kraft meiner Wassersuppe einfach zu entscheiden“, sondern hinterfrage zuvor immer, ob die Mitarbeitenden mitgenommen und ausreichend gehört wurden. Natürlich könne man es nicht jedem recht machen, „aber die Akzeptanz ist ungleich höher, wenn ich nach Abwägung von möglichst vielen Sichtweisen zu einer Entscheidung komme und dies dann transparent und offen begründen kann.“ Vielfalt zu managen, gerade auch in komplexen Projekten, erfordere natürlich Geduld und einen deutlich längeren Atem, „das hab ich, ebenso wie den Mut, mich darauf einzulassen“, betont Kinast. Diese partizipative Art der Zusammenarbeit sei im Vorstand der RLB außerdem bereits gut etabliert, „was mir den Einstieg natürlich unglaublich erleichtert hat, weil ich sofort mitten im Geschehen und immer bestens informiert war.“ A
Gabriele Kinast leitet die RLB Tirol gemeinsam mit Risikovorstand Christof Splechtna (li.) und Vorstandssprecher Thomas Wass (re.). EIN QUARTIER FÜR NEW WORK — Schon seit der Übersiedelung ins RLB-Ersatzquartier in Rum teilt sich der Vorstand ein gemeinsames Büro. Das will man nach der Rückkehr ins RAIQA so beibehalten, wo man sich von Pichler & Traupmann Architekten unter konstanter Beteiligung der Belegschaft topmoderne neue Arbeitswelten planen ließ, in denen man sich seinen Arbeitsplatz je nach gerade anfallender Tätigkeit – ob nun konzentriertes Arbeiten für sich allein oder Brainstorming und Abstimmung mit anderen – flexibel wird wählen können. Kinast selbst ist mit den Modalitäten und Vorzügen von New Work bestens vertraut, hat sie diesen Change-Prozess doch schon in Berlin gemanagt und durchlaufen. Sie schwört auf die Vorzüge offener Büroflächen und einladender Gesprächsinseln, weil sie wie selbstverständlich Begegnung und Austausch ermöglichen und Entscheidungsprozesse beschleunigen. „Wenn man eine Umgebung schafft, die Begegnung und Dialog fast wie von selbst befördert, dann strahlt das nicht nur auf die Mitarbeitenden, sondern in weiterer Folge auch auf bestehende und künftige Kund:innen ab“, ist Kinast überzeugt. LERNINTENSIVES ONBOARDING — Dies entspräche ja auch der vorbildlichen Miteinanderkultur, die sie bei Raiffeisen landauf, landab erlebe. Die Verbundenheit der Menschen mit ihrer jeweiligen Raiffeisenbank habe sie sehr beeindruckt, „das ist einzigartig und kannte ich so noch nicht.“ Kennenzulernen gab es für die 50-jährige Neo-Vorständin in den letzten Wochen eine ganze Menge: angefangen bei ihren Vorstandsagenden – Kinast verantwortet neben dem Personalbereich noch das Facility-Management, die Bankenberatung, das Treasury und das Produktmanagement – über sämtliche Tiroler Raiffeisenbanken bis hin zum österreichischen Sektor. Des Weiteren musste sie sich eingehend mit dem österreichischen Bankwesengesetz vertraut machen, galt es doch, die von der FMA geforderte Fit & Proper-Prüfung nachzuholen. „Glücklicherweise war mir der Umfang davor nicht so wirklich bewusst“, gesteht sie lachend. NEUE MENTORIN VON FRIEDA — Die Erkundung respektive Erwanderung der Tiroler Berg- welt musste also vorderhand noch warten. Aber allein durch diese wunderschöne Landschaft zur Arbeit fahren zu dürfen, sei ja schon ein Hochgenuss, schwärmt Kinast, die nach wie vor zwischen Berlin und Tirol pendelt, weil ihr siebzehnjähriger Sohn dort noch ein Schuljahr vor sich hat. Die Großstadt gehe ihr überhaupt nicht ab, ganz im Gegenteil. Bereits während ihrer Onboarding-Phase hat die begeisterte Golfspielerin mit großer Neugier und ungeheurer Verve jede Möglichkeit genutzt, um Land und Leute kennenzu- lernen. Als neue Mentorin des Tiroler Raiffeisen-Frauennetzwerkes Frieda ist es ihr zudem ein Anliegen, mit möglichst vielen Frauen im Sektor und anderen Leaderinnen der Region persönlich zusammenzutreffen. VERNETZUNG ALS SCHLÜSSEL ZUM SCHLOSS — Sich zu vernetzen und mit anderen in Austausch zu gehen, sei für sie essenziell, „weil ich durch jedes Gespräch und jede Begegnung dazulerne und Dinge in Erfahrung bringe, die mir dabei helfen, meine Vorhaben weiterzuentwickeln.“ Während Männer das selbstverständlich seit jeher tun, müssten Frauen sich das in der Regel erst mühsam antrainieren. „Wir sind durch unsere Vielfachverpflichtungen so auf Effizienz getrimmt, dass wir uns das häufig gar nicht zugestehen, weil wir das nicht für richtige Arbeit halten.“ Auch in dieser Hinsicht will Kinast einen Beitrag leisten, denn natürlich brauche es bei Raiffeisen noch mehr Frauen in Führungspositionen. Der Weg zum Ziel seien aber nicht weitere Frauenförderungsprogramme, so Kinast, „die Frauen haben das Können, sie müssen nur noch lernen, offensiv rauszugehen und den Hut in den Ring zu werfen.“| © FRED EINKEMMER
17 KOMPAKT 2|2025 – SOCIAL MEDIA Wie immer man privat zu Social Media stehen mag, an LinkedIn führt gerade in der BusinessKommunikation und im Personal Branding kein Weg mehr vorbei. Doch was ist wirklich dran an dieser Plattform und ihrem Algorithmus? kompakt hat bei Barbara Wittmann, LinkedIn-Country-Managerin DACH, nachgefragt. Das Interview führte Christine Frei Mitarbeitende sind die wichtigsten Multiplikatoren © LISA HANTKE
18 SOCIAL MEDIA – KOMPAKT 2|2025 LinkedIn gilt mittlerweile als die ultimative BusinessPlattform. Wie erklären Sie sich diese außerordentliche Erfolgsgeschichte? Was macht LinkedIn anders und besser? Barbara Wittmann: Die Themen Beruf und Jobsuche betreffen fast jede:n in der ein oder anderen Form. Mit über einer Milliarde Mitgliedern weltweit und mehr als 27 Millionen Mitgliedern in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist LinkedIn das größte digitale Netzwerk für den beruflichen Austausch. Was LinkedIn besonders macht, ist die Tatsache, dass Inhalte nicht rein zum Zweck der Unterhaltung erstellt werden. Die Plattform ist darauf ausgelegt, Mitgliedern einen Mehrwert zu bieten und den Austausch von Wissen zu ermöglichen. Arbeitgebern bietet LinkedIn zudem die Möglichkeit, aktiv die besten Talente anzusprechen, potenzielle Mitarbeitende auf sich aufmerksam zu machen und gleichzeitig die eigene Belegschaft kontinuierlich auf dem Laufenden zu halten. Warum ist es heutzutage für Menschen mit Karriereambitionen unerlässlich, sich auf Social Media zu präsentieren? Der Arbeitsmarkt verändert sich gerade rasant. Unsere Daten zeigen, dass Berufseinsteiger:innen heute doppelt so viele Jobs haben werden wie frühere Generationen. Deshalb ist es für viele sehr hilfreich, sich und die eigene professionelle Identität schon während der Ausbildung oder des Studiums sichtbar zu machen und sich ein starkes berufliches Netzwerk aufzubauen – und nicht erst dann, wenn man sich beruflich verändern will oder ganz konkret auf Jobsuche ist. Menschen mit Selbstvermarktungstalent sind in diesem Umfeld ganz klar im Vorteil. Was würden Sie denn all jenen raten, die sich nicht so gerne zeigen, aber trotzdem irgendwie sichtbar sein sollten? Das sehe ich anders – nicht für jede:n stehen die eigenen Posts oder eine möglichst große Reichweite im Vordergrund, viele nutzen LinkedIn täglich, um sich über den Newsfeed zu informieren, mit ihrem Netzwerk in Kontakt zu bleiben oder sich über LinkedIn Learning gezielt weiterzubilden. Wer zunächst nicht selbst posten möchte, kann sich etwa aktiv an Diskussionen beteiligen oder Beiträge kommentieren. Sichtbarkeit entsteht auch durch Interaktion. Eine Grundregel, die für alle gilt: Der erste Eindruck zählt. Auf LinkedIn entsteht dieser insbesondere durch das eigene Profil. Wer hier die eigenen Stärken hervorhebt und sie in klaren Botschaften vermittelt, wirkt authentisch und glaubwürdig – und das ist auf LinkedIn erfolgsentscheidend. Der Fachkräftemangel ist in den meisten Unternehmen ein brennendes Thema – und ins Recruiting wird mittlerweile fast überall sehr viel Zeit und Geld investiert. Inwiefern sind eigene Unternehmenskanäle oder auch die Präsenz der Führungsspitze auf LinkedIn hilfreich, um die richtigen Talente zu gewinnen? Unternehmensseiten auf LinkedIn sind ein sehr probates und einfach umzusetzendes Mittel, um dem eigenen Unternehmen eine Präsenz zu geben – und um sich als Arbeitgeber, aber auch als Geschäftspartner zu präsentieren. Etwa 69 Millionen Firmen weltweit nutzen Unternehmensseiten aktuell und LinkedIn-Mitglieder interagieren mit diesen über zwei Milliarden Mal pro Monat. Alle ATX-Konzerne sind auf LinkedIn aktiv. Neben den Unternehmensseiten ist außerdem auch die Sichtbarkeit der Führungskräfte enorm hilfreich – sie sind wichtige Schlüsselfiguren, wenn es darum geht, die Strategie und Vision ihres Unternehmens nach außen zu tragen, und spielen eine zentrale Rolle im Employer Branding. Was sollten Unternehmen von sich zeigen, damit sie für ihre künftigen Mitarbeiter:innen greifbar werden und das Interesse von Bewerber:innen wecken? Das lässt sich nicht verallgemeinern, weil das abhängig von der jeweiligen Zielgruppe ist. Grundsätzlich gilt für Unternehmen das Gleiche wie für Mitglieder – Authentizität und Glaubwürdigkeit sind das A und O. Außerdem ist eine gewisse Frequenz wichtig, um sichtbar zu sein: Seiten, die wöchentlich posten, haben fast sechsmal so viele Follower:innen wie Seiten, die nur monatlich posten. Im Kontext eines guten Employer Brandings sind außer-
19 KOMPAKT 2|2025 – SOCIAL MEDIA dem Corporate Influencer:innen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen und Senioritäts-Leveln sehr relevant. Im Schnitt ist die addierte Reichweite von Mitarbeitenden auf LinkedIn 12-mal so groß wie die der Unternehmensseite – Mitarbeitende sind also die wichtigsten organischen Multiplikatoren eines Unternehmens. Sie können spannende und glaubwürdige Einblicke in den Arbeitsalltag und die Unternehmenskultur geben. Mein wichtigster Tipp dabei: Geben Sie den Menschen Zeit – gute Inhalte entstehen nicht nebenbei und selbst die besten Corporate Influencer:innen brauchen eine Weile, um sich zu etablieren und eine aktive Community aufzubauen. Und geben Sie ihnen die Freiheit, ihre eigene Stimme auf LinkedIn zu finden. Echte Meinungen funktionieren deutlich besser als kopierte Skripte. LinkedIn ist als Business-Plattform natürlich auch ein Tummelplatz der Generationen. Was ist denn am sogenannten Generationen-Clash, von dem immer wieder die Rede ist, wirklich dran? An kaum einem Ort innerhalb der Gesellschaft begegnen sich zurzeit so viele unterschiedliche Generationen wie im Job. Aktuell können bis zu vier Generationen zusammentreffen: Babyboomer, Generation X, Millennials, die Gen Z – und bald kommt die Gen Alpha dazu. Ich sehe in dieser einzigartigen Situation enorme Potenziale. Aus einer unserer Studien wissen wir allerdings, dass es vielen schwerfällt, aufeinander zuzugehen. Mehr als zehn Prozent der Gen Z beispielsweise sagen, dass sie seit über einem Jahr kein direktes Gespräch mehr mit einem Arbeitskollegen bzw. einer Arbeitskollegin über 50 geführt haben. Für die Zusammenarbeit im Team und dessen Erfolg ist es deshalb enorm wichtig, dass Unternehmen ein Umfeld schaffen, das die Kommunikation zwischen den Generationen fördert. Denn davon profitiert nicht nur jede:r einzelne Mitarbeiter:in, sondern das ganze Unternehmen. Wer sich mit sozialen Medien und jetzt speziell auch mit LinkedIn näher beschäftigt, wird in kürzester Zeit mit einem speziellen Phantom konfrontiert: dem Algorithmus. Von den sogenannten Eingeweihten wie Agenturen oder Expert:innen hört man dann häufig den Satz: Der Algorithmus mag das nicht. Was mag er denn wirklich, ‚euer‘ Algorithmus? Mein Tipp: Schreiben Sie nicht für den Algorithmus. LinkedIn ist nicht auf Viralität ausgelegt. Unser Feed fördert den Wissensaustausch, er favorisiert also Inhalte von Menschen, die Sie kennen, und die über Dinge sprechen, die Sie interessieren. Inhalte auf LinkedIn sind in der Regel dann erfolgreich, wenn sie zu Gesprächen anregen, einen Mehrwert bieten, authentisch und persönlich sind – persönlich, aber nicht privat. Der beste Gradmesser ist man selbst: Was finde ich spannend und informativ und wie konsumiere ich am liebsten? Hätten Sie noch ein paar zusätzliche Tipps und LinkedIn-Hacks, die Sie unseren kompakt-Leser:innen an dieser Stelle mit auf den Weg geben könnten? Ich gebe gern folgende drei Empfehlungen: 1. Ihr Profil ist Ihre Visitenkarte. Setzen Sie auf Ihre Erfahrungen und Fähigkeiten. Das macht Sie auffindbar. 2. Bauen Sie Ihr Netzwerk gezielt auf. Vernetzen Sie sich mit Menschen, die Sie kennen und denen Sie vertrauen – angefangen bei Freund:innen, Familie, Kolleg:innen oder ehemaligen Wegbegleiter:innen. Beim Netzwerken schlägt Qualität Quantität. Ein kleines, feines Netzwerk ist in der Regel hilfreicher als ein riesiges anonymes Netzwerk. 3. Konzentrieren Sie sich beim Posten auf Themen, die Sie wirklich bewegen und bei denen Sie Expertise haben. Fragen Sie sich, wie Sie mit Ihren Posts anderen Mitgliedern einen Mehrwert bieten können. Wenn ich zum Beispiel die spannendsten Erkenntnisse aus einer Veranstaltung teile, ist das für mein Netzwerk deutlich interessanter, als wenn ich lediglich meine Anwesenheit dokumentiere – Stichwort „Substanz schlägt Glanz“. Ein durchdachter Beitrag pro Woche ist außerdem wirkungsvoller als fünf oberflächliche.| © LISA HANTKE Posts sollten immer einen Mehrwert bieten, betont LinkedIn-Country-Managerin Barbara Wittmann.
20 Rebecca Kammerlander ist ein Multitasking-Talent: Unternehmerin, Mutter, Gemeinderätin, Kammerfunktionärin, Hobby-Influencerin und vor allen Dingen Paradenetzwerkerin. Um den vielen tatkräftigen Frauen im eigenen Tal eine entsprechende Plattform zu bieten, hat sie vor zwei Jahren mit Freundinnen den Verein „Die Ötztalerin“ gegründet, der sich ganz dem Thema Female Empowerment verschrieben hat. Von Sonja Mayrhofer Einfach mal loslegen er Rebecca Kammerlander begegnet, wird sofort mitgerissen von ihrer sprudelnden Energie und ihrer überschäumenden Herzlichkeit. Man spürt augenblicklich: Diese Frau liebt, was sie tut – und insbesondere den Kontakt und Austausch mit anderen Menschen. Trotz der vielen Rollen und Verpflichtungen, die sie mit cooler Lässigkeit ausfüllt und managt, verliert sie nie den Überblick, geschweige denn ihr Lächeln. EIN ROSA APARTMENTHAUS — Aufgewachsen in Längenfeld im Ötztal, hat Rebecca den Unternehmerinnengeist quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Das weithin sichtbare, in charmantem Rosa gestrichene Apartmenthaus „Apart Relax“ hat sie bereits vor einigen Jahren von ihren Eltern übernommen. Der markante Anstrich des familieneigenen Beherbergungsbetriebes entspricht nicht nur ihrem grundoptimistischen Naturell, er reflektiert auch die Frauenpower in ihrer Herkunftsfamilie. „Bei uns gab es immer viele Mädchen, daher trägt jedes der neun Apartments den Namen eines weiblichen Familienmitglieds“, erklärt uns die begeisterte Gastgeberin. FRAUEN EMPOWERN — Doch auch das Aufzeigen und Teilen von all den vielen kleinen und großen Dingen und Momenten, die sie beglücken und die ihr am Herzen liegen, ist ein wesentlicher Charakterzug der zweifachen Mama und begnadeten Netzwerkerin. Als Hobby-Influencerin @rebeccammi gewährt sie auf Instagram Einblick in ihr vielfältiges Leben, erzählt als bekennende Fashionista mit viel Humor und ansteckender Bewegungsfreude von ihrem organisiert chaotischen Leben zwischen Selbstständigkeit, Mum-Life und MeTime. Frauen zu empowern, das sieht sie als ihre zentrale Mission: ob nun auf Social Media, als Gemeinderätin, Mitglied im TVB-Ausschuss oder als gerade neu bestellte Vertreterin von „Frau in der Wirtschaft“ im Bezirk Imst. NETZWERK MIT STRAHLKRAFT — Doch das alles war der umtriebigen Multitaskerin längst nicht genug. 2023 gründete sie gemeinsam mit drei Freundinnen den Verein „Die Ötztalerin“, dem sie seit dem Vorjahr auch als Obfrau vorsteht. Obwohl ursprünglich als Netzwerkplattform für die zahlreichen Powerfrauen im eigenen Tal konzipiert, hat der Verein in kürzester Zeit eine enorme Strahlkraft weit über das Ötztal hinaus entwickelt. Und sich vor allem durch hochkarätige Female-Empowerment-Events einen Namen gemacht. EINEN NERV GETROFFEN — Den jüngsten Impulstag samt Galaabend im Aqua Dome, für den die Ötztalerinnen keine Geringere als Starmoderatorin Alice Tumler sowie zahlreiche hochinspirierende Rednerinnen wie etwa Alexandra Meissnitzer und Sabrina Engel gewinnen konnten, besuchten über 350 Frauen aus dem ganzen Land. Ein Riesenerfolg, der selbst Rebecca überrascht hat. „Offenbar haben wir mit unserem Anliegen, wichtige frauenspezifische Themen sichtbar zu machen und echte Verbindung zu schaffen, genau ins Schwarze getroffen.“ Wohin die Reise führen würde, war am Anfang nicht klar, lächelt Rebecca. „Aber manchmal muss man einfach loslegen. Der Rest entwickelt sich unterwegs.“| W UNTERNEHMERIN IM PORTRÄT – KOMPAKT 2|2025
21 BEIDE BILDER © BIANCA WAGNER Rebecca Kammerlander ist die geborene Netzwerkerin – den jüngsten Impulstag des Vereins „Die Ötztalerin“ in Längenfeld ließen sich weder LRin Eva Pawlata noch WKO-Vizepräsidentin Martha Schultz entgehen. „Mit unserer Netzwerkplattform ‚Die Ötztalerin‘ wollen wir wichtige frauenspezifische Themen sichtbar machen.“ Rebecca Kammerlander, Geschäftsführerin bei Apart Relax
22 BEIDE BILDER © MARTIN LUGGER „Ich glaube, Frauen führen in mancher Hinsicht anders – oft mit mehr Herzlichkeit. Und das ist im gesamten Betrieb spürbar.“ Katharina Hradecky, Gastgeberin im Hotel Hinteregger UNTERNEHMERIN IM PORTRÄT – KOMPAKT 2|2025 1. Katharina Hradecky führt das Hotel Hinteregger in Matrei in Osttirol bereits in vierter Generation. 2. Der Gebäudekomplex wurde laufend erweitert und modernisiert – und erhielt für seine Architektur mehrere Auszeichnungen. 1 2
23 KOMPAKT 2|2025 – UNTERNEHMERIN IM PORTRÄT Seit mehr als 100 Jahren wird der Gasthof Hinteregger in Matrei in Osttirol von Frauen geführt. Katharina Hradecky übernahm den Betrieb 2003 von ihrer Mutter und prägt ihn seitdem mit Leidenschaft und mutigen Veränderungen. Von Anna Füreder TRADITION IN FRAUENHAND as heute ein moderner Hotelbetrieb mit Charme und Charakter ist, begann einst ganz bescheiden: mit einem Zimmer, einer Stube, einer kleinen Küche – und zwölf Strohsäcken als Schlafplatz. Mittlerweile führt Katharina Hradecky das Hotel Hinteregger in Matrei in Osttirol in vierter Generation. 2003 übernahm sie das Familienunternehmen – genau 100 Jahre nachdem ihre Urgroßmutter das damalige Wirtshaus erworben und damit den Grundstein für eine lange Gastgeberinnen-Tradition gelegt hatte. Seitdem wurde das Haus stets von Mutter zu Tochter weitergereicht. Jede Generation prägte dabei die Beherbergungsstätte mit eigenen Ideen, ohne die Wurzeln je aus dem Blick zu verlieren. EIN (FAST) VORBESTIMMTER WEG — Für Hradecky war der Weg in den familiengeführten Gasthof aber nicht von Anfang an vorgezeichnet – auch wenn es heute so scheinen mag. Nach der Schulzeit zog es sie zunächst hinaus in die Welt: Sie absolvierte den Tourismuslehrgang an der WU in Wien und sammelte Berufserfahrung bei der Österreich Werbung in London. Erst der Liebe wegen kehrte sie in ihren Heimatort zurück – und fand schließlich ihren Platz im elterlichen Hotel. KLUGES INVESTMENT — Heute gilt die Osttirolerin als „Vorzeigetouristikerin“ der Region – den Titel nimmt sie mit einem Schmunzeln zur Kenntnis und führt ihn auf ihre Leidenschaft für ihren Beruf und unternehmerischen Mut zurück. „Ich habe immer viel und vor allem klug investiert. Es gab kein Jahr ohne Baustelle“, sagt die Hotelierin rückblickend. So hat sie mit Feingefühl und Weitblick den traditionsreichen Familienbetrieb stetig erweitert, angepasst und modernisiert. „Ich glaube, das ist der Schlüssel für langfristigen Erfolg: Man muss mit der Zeit gehen – auch architektonisch.“ TRADITION TRIFFT ZEITGEIST — Einen konstanten Bestandteil des Hauses bildet dabei der angeschlossene Bauernhof. „Früher war es üblich, dass ein Gasthof auch eine Landwirtschaft betreibt“, erklärt die Touristikerin. Was einst Tradition war, ist heute wieder gefragter denn je, denn Gäste schätzen Produkte aus eigener Erzeugung. „Unsere Besucher:innen genießen nicht nur die regionale Küche, sie freuen sich auch über einen Blick hinter die Kulissen bei einem Stallrundgang“, stellt sie fest. EIN WEIBLICHER WEG — Dass ein Hotel von einer Frau geführt wird, ist heute nichts Ungewöhnliches mehr. Zur Zeit von Katharina Hradeckys Vorgängerinnen war das allerdings noch eine Ausnahme, wodurch das Haus eine Haltung jenseits klassischer Rollenbilder kultivierte. „Für mich war es immer schon normal, dass eine Frau an vorderster Front steht“, betont die Hotelbesitzerin. Die weibliche Leitung prägt dabei den Charakter des Hauses bis heute. „Ich glaube, Frauen führen in mancher Hinsicht anders – oft mit mehr Herzlichkeit. Und das ist im gesamten Betrieb spürbar.“ | W
24 TIROLER TOURISMUSGESPRÄCHE – KOMPAKT 2|2025 Herr Precht, Sie haben Ihr Buch „Das Jahrhundert der Toleranz“ vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl veröffentlicht. Mit Donald Trump sitzt nun ein Präsident im Weißen Haus, der ganz klar Interessen, aber nicht wirklich unsere sogenannten westlichen Werte vertritt? Richard David Precht: Ja, Werte spielen in der Agenda von Donald Trump so gut wie überhaupt keine Rolle mehr. Die einzigen Werte, die er kennt, sind Geldwerte. Die USA werden jetzt regiert wie eine Firma, rein kapitalistisch, ohne Weltanschauung, ohne Ideologie, aber eben auch ohne Werte. Das, was wir vorher den Westen genannt haben, existiert so nicht mehr. Aber bestünde nun nicht die Chance, uns ernsthaft multipolar aufzustellen? Die Chance sehe ich, aber der Weg dorthin ist ein sehr weiter. Die augenblicklich vorherrschende Haltung in Deutschland ist Trotz. Wir machen trotz Donald Trump so weiter wie vorher im Windschatten der US-amerikanischen Demokraten, betreiben also eine Biden-Politik ohne Biden. Das halte ich jedoch für eine Übergangsphase, weil das dauerhaft nicht funktioniert, wie wir gerade jetzt im Ukrainekrieg sehen. Da haben Briten, Polen, Franzosen und wir Deutschen versucht, eigenständig zu handeln, was international überhaupt nicht ernst genommen wurde. Wir werden also neu darüber nachdenken müssen, wie wir uns in einer multipolaren Weltordnung aufstellen. Wie Sie in Ihrem Buch ausführlich darlegen, wird diese multipolare Weltordnung nur funktionieren, wenn wir unsere westliche Überheblichkeit aufgeben. Ich habe ein großes Problem mit dem Begriff westliche Werte. Ich bin ein Anhänger des moralischen Universalismus in der Tradition von Immanuel Kant, was häufig mit dem Begriff westliche Werte gleichgesetzt wird. Es sind aber eben universelle Werte. Und je mehr wir betonen, dass diese Werte westlich und somit die unseren sind, umso weniger werden andere Länder und andere Kontinente diese Werte teilen wollen. Ich wünsche mir natürlich eine starke Stellung der UNO und der Menschenrechte, aber wir können diese universellen Werte nicht als die unseren reklamieren. Denn das impliziert: Wir sind die Guten und alle anderen die Bösen. In diesem veralteten, regelrecht kindlichen Schema kann man in einer multipolaren Weltordnung nicht mehr operieren. Wir sind tatsächlich sehr versessen darauf, die Guten zu sein, was ja per se ausgrenzend und damit das Gegenteil von gut ist. Haben Sie eine Erklärung, warum das so ist? Ich glaube, das kommt stark aus dem Christentum, das wie der Islam eine monotheistische Religion ist. Der Monotheismus kennt nur einen Gott, alle anderen Religionen sind demzufolge falsch. Dass wir uns für die Guten halten, ist ganz tief in unserer DNA: Im christlichen Mittelalter waren wir die Guten aufgrund des richtigen Glaubens, weshalb wir zu Kreuzzügen aufbrachen, später aufgrund der Industrialisierung und einer fortgeschrittenen Kultur oder jetzt wegen unserer Werte. Wir werden also lernen müssen, in eine Haltung hinein- zukommen, in der wir uns als Europäer nicht immer automatisch für die Guten und Überlegenen halten, so als ob wir die Lizenz hätten, anderen Ländern zu sagen, wie sie zu leben haben. Es braucht vielmehr eine Er ist einer der prononciertesten Denker und Meinungsbildner unserer Breiten. Bei den Tiroler Tourismusgesprächen am 24. September in Igls wird Richard David Precht die Abschluss-Keynote zum Leitthema Resilienz halten. kompakt-Chefredakteurin Christine Frei hat mit dem schillernden Publizisten und Philosophen vorab über sein aktuelles Buch „Das Jahrhundert der Toleranz“ gesprochen. Ein langer Weg des Lernens
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