Seite 5 - Raiffeisen kompakt 03/2012

Basic HTML-Version

Wirtschaftsinformation der Tiroler Raiffeisenbanken
Raiffeisen kompakt 03/2012
Gastkommentar
von
THERESIA THEURL
Universitätsprofessorin
Institut fürGenossenschafts-
wesen,WestfälischeWilhelms-
UniversitätMünster
ImRampenlicht
© Theurl
Genossenschaftsbanken:
Stärke durchNähe
Genossenschaftsbanken sind regionale Vertrauensanker, ein Fundament für Stabilität und Sicherheit.
Gäbe es sie nicht schon lange, müssten sie heute erfunden werden.
I
m Internationalen Jahr der Genos-
senschaften liegt es nahe, auf die Ein-
zigartigkeit von Genossenschaften
und ihr nachhaltiges Wirken für Re-
gion, Wirtschaft undGesellschaft hinzuwei-
sen. Auf besondere Weise gilt dies für Raiff-
eisen-Genossenschaftsbanken. Im Umfeld
der Finanzmarkt- und der Verschuldungs-
krise hat sich herausgestellt, dass viele Men-
schen nachdenklich geworden sind, dass
sie fast vergessene Werte wieder höher ein-
schätzen. Dazu gehören Langfristigkeit und
Nachhaltigkeit ebenso wie Nähe und Ver-
wurzelung. Sicherheit und Stabilität sind be-
deutender geworden. Viele Menschen wollen
zudem wieder mehr Einflussmöglichkeiten
auf Angelegenheiten haben, die ihnen wich-
tig sind, sie wollen nicht ausgeliefert sein.
Genossenschaftsbanken verkörpern durch
ihr besonderes Geschäftsmodell seit jeher
diese Werte. Weil sie bodenständig und ver-
lässlich sind, passen sie besser in unsere Zeit
als viele andere Organisationen.
Bereitschaft zur Verantwortung.
Das Rückgrat von Genossenschaftsbanken
bilden ihre Mitglieder. Sie sind nicht nur
die Kunden, sondern sie sind auch die Ei-
gentümer. Sie haben Einfluss auf die strate-
gischen Weichenstellungen und sie werden
von diesen Entscheidungen selbst betroffen.
Entscheiden sie als Eigentümer gut, haben
sie als Kunden Vorteile. Liegen sie als Ei-
gentümer daneben, spüren sie es in der Fol-
ge als Kunden selbst. Die Verantwortung für
die Entscheidungen kann nicht abgescho-
ben werden, an die Gesellschaft oder an die
Steuerzahler. Die genossenschaftliche Mit-
gliedschaft ist ihr Alleinstellungsmerkmal,
macht Genossenschaften einzigartig. Sich
auf die eigene Kraft zu besinnen und sie in
der Zusammenarbeit mit anderen zu verviel-
fachen, verkörpert selbstständig-unterneh-
merisches Denken.
Genossenschaftsbanken sind Teil eines
größeren Finanznetzwerkes. Was heute als
innovativeFormderUnternehmensentwick-
lung gefeiert wird, nämlich Netzwerke und
Allianzen, das haben die Genossenschafts-
banken vor weit über 150 Jahren längst er-
funden. Raiffeisen als Gruppe ermöglicht es
den Banken vor Ort, dezentral, überschaubar
und nah amKunden zu sein und dennoch die
Vorteile wirtschaftlicher Größe und Vielfalt
eines großen Verbundes zu nutzen sowie die
entsprechenden Risikovorteile. So kann De-
zentralität kombiniert werden mit wettbe-
werbsfähigen Produkten, kosteneffizienten
Prozessen, einer gemeinsamen Absicherung
von Risiken, einer werthaltigen Marke und
der Möglichkeit, sich in einem intensiven
Wettbewerb weiterzuentwickeln. Bist du
nicht groß und stark, musst du eben beson-
ders schlau sein, dies könnte heute als genos-
senschaftlichesMotto dienen.
Langfristige Orientierung.
Genossenschaftsbanken gehören weder
staatlichen Einrichtungen noch anonymen
Investoren. Nicht politischen Zielen oder
einer
kurzfristigen
Shareholder-Value-
Orien­tierung folgt die Unternehmensstra-
tegie von Genossenschaftsbanken, son-
dern es geht um den Member-Value, den
Wert der Genossenschaftsbank für ihre
Mitglieder. Nicht die Gewinne aus den Ge-
schäften mit den Kunden für die Investoren
werden maximiert, sondern in Genossen-
schaftsbanken entstehen die wirtschaft-
lichen Ergebnisse aus den Geschäften mit
den Kunden und sie kommen ihnen selbst
als Eigentümer zugute. Sie fließen ihnen
über die Finanzprodukte mit ihren Quali-
tätsstandards und Konditionen, die Verzin-
sung ihrer Geschäftsanteile sowie die In-
vestitionen in nachhaltige Strukturen zu.
Die fundamentalen Unterschiede zu ande-
ren Banken liegen darin, mit wem und für
wen Gewinne gemacht werden. Daher sind
Genossenschaftsbanken in der Realwirt-
schaft verankert und nicht finanzmarktge-
trieben. Sie können langfristige Strategien
einschlagen, die nicht den quartalsmäßigen
Takt für Investoren erzwingen.
Regionale Vertrauensanker.
Wirtschaftlich
erfolgreiche
Genossen-
schaftsbanken sind die natürlichen Part-
ner für die mittelständische Wirtschaft,
für die Landwirtschaft, für die Privaten.
Dies­heißt, dass Kredite in die Region verge-
ben werden und Einkommen dort investiert
werden. Auf diese Weise entstehen Arbeits-
und Ausbildungsplätze, die sonst nicht ent-
stehen würden, ebenso Wertschöpfung und
Steueraufkommen. Genossenschaftsbanken
schaffen und erhalten Infrastrukturen, und
zwar direkt und indirekt und sie entfalten
gesellschaftliches Engagement. Sie sind da-
her in der Lage, Wirtschaftsstandorte und
Lebensräume aufzuwerten. Auf diese Wei-
se können sie eine Region stabilisieren, sie
unabhängiger und innovativer machen und
wirtschaftliche Perspektiven aufzeigen, die
sonst nicht vorhanden wären. Genossen-
schaftsbanken flüchten nicht, wenn es wirt-
schaftlich schwierigwird, denn sie sind lokal
verwurzelt. Dies ist auch ihr Wettbewerbs-
vorteil. DenndasWissenüber die lokalenBe-
sonderheiten, die Nähe zu den Kunden, das
unverfälschte Einschätzen ihrer Wünsche
und Möglichkeiten, die Informationen über
geeignete Partner für regionale Projekte und
über zukunftsträchtige Investitionen wer-
den immer wichtiger.
Dieses Wissen entsteht in einem langen
Prozess und es kann sich nur durchNähe und
persönliche Erfahrung entwickeln. Verläss-
licheGeschäftsbeziehungenwerdenmöglich,
nur in ihnen entsteht Vertrauen. Menschen
wollen vertrauen können – gerade in Geldan-
gelegenheiten – und nicht vertrauen müssen,
weil ihnen nichts anderes übrigbleibt. Dies
setzt voraus, die Vertrauenswürdigkeit von
Personen einschätzen zu können. Genossen-
schaftsbanken sind regionale Vertrauensan-
ker, ein Fundament für Stabilität und Sicher-
heit. Gäbe es also Genossenschaftsbanken
nicht schon lange, müssten sie heute erfun-
denwerden.
„Genossenschaftsbanken können langfristige
Strategien einschlagen, die nicht den quartalsmäßigen
Takt für Investoren erzwingen.“
Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl
Berufschancen.
Die Bank der Tirolerinnen und Tiroler schafft neue Jugendarbeitsplätze – vor
kurzembegann für 15 Tiroler Jugendliche aus allen Landesteilenmit ihrer Lehrlingsausbildung der Ernst
des Lebens. Hannes Schmid, Sprecher der Raiffeisen-Bankengruppe Tirol, begrüßte den Banker-Nach-
wuchs bei den Einführungstagen in Innsbruck persönlich. Aktuell absolvieren insgesamt 45 junge Men-
schen eine Lehre bei denTiroler Raiffeisenbanken.
Hannes Schmid, Sprecher der Raiffeisen-Banken-
gruppe Tirol, begrüßte die neuen Banklehrlinge.
Auch heuer galt es im Rahmen der theALPS
in Innsbruck, die alpine Innovationskraft zu bündeln, neue Impulse zu
setzen und gemeinsam die nachhaltige Entwicklung im europäischen Al-
pentourismus zu fördern. Die eineinhalbtägige Tourismusfachveranstal-
tung bot den Teilnehmern ein breites Spektrum an Plattformen, um sich
fachlich auszutauschen, fortzubilden sowie Geschäfte anzubahnen. Mit
dabei waren Tourismusanbieter aus den neun theALPS-Partnerregionen
Bayern, Graubünden, Rhône-Alpes, SalzburgerLand, Südtirol, Tirol, Tren-
tino, Vorarlberg und Wallis sowie deren internationale Vertriebspartner
aus über 25 Nationen und interessierte Medienvertreter. In diesem Jahr
genossen Tirols Touristiker noch einmal „Heimvorteil“. Denn 2013 über-
nimmt die nächtigungsstärkste Tourismusregion der Alpen, Rhône-Alpes,
die Gastgeberrolle für theALPS 2013. Eine Rückkehr nach Tirol ist erst für
2015 geplant.
Setzen Initiativen für den Tourismus im Alpenraum (v. l.): Josef
Margreiter (Tirol Werbung), Franz Fischler (Forum Alpbach),
Harald Ultsch (WK Tirol) und Konrad Plankensteiner (Tiscover).
© theALPS/pro.media
© Raiffeisen